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Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Kj7b-8-c9f0

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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Strato Incendus Fr Jan 17, 2020 1:49 pm

    Hier im SciFi-Unterforum tut sich ja offenbar nicht so viel - was verständlich ist, weil es ja primär um Fantasy geht. Einige Faktoren aus dem Kosmos spielen jedoch zumindest eine philosophische Rolle für das, was in meiner Geschichte "am Boden" passiert. Ein zentraler Punkt ist dabei, dass das Leben auf jedem Planeten irgendwann endet, spätestens dann, wenn sein Stern zum roten Riesen wird - und die Möglichkeiten, einen Planeten für einen anderen zu verlassen, stark begrenzt sind. Einfach aufgrund der absurden Distanzen zwischen den Sternen.

    Im Prinzip sind mir da nur vier theoretische Möglichkeiten bekannt:

    • Reisen mit einfacher Lichtgeschwindigkeit (ineffizient, immer noch langsam, und extrem gefährlich, da ein einzelnes Staubkörnchen, das einem entgegenkommt, bereits das Schiff zerstören kann)
    • Raumkrümmung (Warpantrieb / Hyperantrieb / Wurmlöcher etc.)
    • Tiefschlaf der Besatzung
    • ein Generationenraumschiff.


    Hier soll es jetzt mal speziell um letzteres gehen.  Smile

    In der Fiktion haben durchaus bereits einige (meist negative) Beleuchtungen dieses Themas stattgefunden. Ich würde im weiteren Sinne auch die Fernsehserie "The 100" dazuzählen, auch wenn das Ziel des Raumschiffs (Die "Ark" = Arche) da nicht ist, dauerhaft von der Erde wegzufliegen, sondern bloß außerhalb einer radioaktiv verstrahlten Erde solange zu überleben, bis sie wieder bewohnbar wird.

    In der medialen Berichterstattung über wissenschaftliche Entdeckungen neuer Planetensysteme dagegen wird dieser Gedanke immer wieder als "Vorschlag" angeführt. Zwar nicht mit Euphorie, nach dem Motto "Das wäre die beste Lösung!", aber auch nicht negativ, sondern einfach neutral. Das soll natürlich bei Berichterstattung erstmal auch der Fokus sein, gerade, wenn es eigentlich nur darum geht, wie weit ein neu entdeckter Planet von uns entfernt ist, und wie lange man dorthin hypothetisch mit einem Generationenraumschiff brauchen würde. Die ethischen Implikationen davon haben also meistens keinen Platz in diesen Berichten, was ich aus dem Kontext nachvollziehen kann.

    Generell zeigen jedoch Beispiele wie die Ark aus The 100, dass Generationenraumschiffe sich höchstwahrscheinlich unweigerlich in einen totalitären Albtraum verwandeln würden, an dem kein denkender Mensch freiwillig mitwirken sollte.

    Deshalb finde ich es dann doch immer ein bisschen erschreckend, wann immer das als Möglichkeit, einen anderen Planeten zu besiedeln, vorgeschlagen wird.


    Auf der Ark aus The 100 zeigt sich das vor allem in einer Sorge vor Überbevölkerung - es herrscht eine strikte Ein-Kind-Politik wie einst in China, und jedes noch so kleine Vergehen eines Erwachsenen wird mit dem Tode bestraft.

    Ebenso plausibel, wenn nicht sogar noch plausibler, scheint mir jedoch das umgekehrte Szenario: Ein ständiger Bevölkerungsschwund auf dem Generationenraumschiff, sodass die Leute gezwungen werden, Nachkommen zu haben, und ggf. selbst Straftäter dabei weiterhin mit einbezogen werden, um in Anbetracht der begrenzten Anzahl an Leuten die genetische Vielfalt langfristig sicherzustellen.

    Dieses Szenario scheint mir deshalb plausibler, weil ein solches Raumschiff ja nur von hochmodernen Gesellschaften gebaut werden könnte. Mit deren techonlogischem Fortschritt geht auch meist der flächendeckende Zugang zu Verhütungsmitteln einher, sowie die damit verbundenen, andererorts bereits besprochenen Wertevorstellungen: Gleichberechtigung der Geschlechter, Selbstverwirklichung des Individuums etc.

    Bei The 100 wird sehr schön deutlich, wie unter existenzbedrohlichen Bedingungen trotz modernster Technik die alten, grausamen Mechanismen der Evolution wieder die Oberhand gewinnen: Innen- und Außengruppen-Denken ("wir" gegen "die anderen") sowie die unterschiedliche Einstufung des Wertes von Leben.

    The 100:

    Also Fokus zurück auf das Generationenraumschiff: Egal ob Bevölkerungsschwund oder Überbevölkerung: Die Verantwortlichen werden irgendwann mehr und mehr totalitäre Maßnahmen beschließen müssen, um sicherzustellen, dass das Raumschiff sein Ziel überhaupt erreicht. Insbesondere dann, wenn die Ressourcen auf dem Raumschiff so begrenzt sind, dass die Crew auf das Erreichen des Zielortes angewiesen ist (anstatt sich komplett selbst versorgen zu können wie z.B. die Enterprise D in Star Trek: The Next Generation).

    Wenn ein Bevökerungsschwund langfristig wahrscheinlicher wäre als Überbevölkerung, sähe das im Gegensatz zur Ark folgendermaßen aus:
    Spoiler:

    Heißt kurz und knapp:
    Mit einem Generationenraumschiff begibt man sich gutgläubig in ein totalitäres System, bei dem weder man selbst noch der Großteil der eigenen Nachfahren die Früchte dieser Last jemals zu sehen bekommen wird - und die, die den fernen Planeten dann tatsächlich erreichen, würden, wenn man sie auf der Erde danach gefragt hätte, dort wahrscheinlich gar nicht mehr leben wollen, weil sie wieder in die Urzeit zurückgeworfen werden, mit all der evolutionären Brutalität, die der Mensch in seiner Hybris glaubte, überwunden zu haben.

    Überlegungen wie diese sind es, die mich persönlich zum Antinatalismus geführt haben, wie ja auch immer wieder in anderen Posts deutlich geworden ist (z.B. hier und hier):
    Spoiler:

    Ich glaube, wir alle sind froh, dass wir im 20. oder 21. Jahrhundert geboren wurden statt irgendwann früher, wo die Zeiten härter waren. Doch wer weiß, vielleicht sollten wir auch froh sein, dass wir nicht irgendwann später geboren wurden / werden, in einer Zeit, wo die Erde am Rand der Zerstörung steht. Oder schlimmer noch: Auf einem Generationenraumschiff, das mit der Rechtfertigung, die letzte Hoffnung auf das Überleben der Menschheit zu sein und dem Zweck, eine neue Welt zu erreichen, jedes seiner Mittel heiligen kann.

    Oder um es anders zu sagen:
    "What do you call a space ship with an authoritarian system that forces its people to procreate?" Wink

    Spoiler:


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Roy Aal Fr Jan 17, 2020 3:14 pm

    Ich denke, dass das Scheitern oder der Erfolg eines Ark-Projects oder Entdeckungsschiffs von der Bedürfnispyramide stark abhängt.

    1. Ist mein Überleben sichergestellt?
    Das wären die Punkte, die du angesprochen hast mit Sauerstoffmangel, Rationen gehen aus …, wenn das fehlt, dann rasten Leute halt schonmal aus.

    2. Fühle ich mich in dem Schiff und in der Gesellschaft geborgen/sicher?
    Umgang mit Problemen, Kriminalität, Rechte, Aufklärung, Wissen …

    3. Gibt es Gruppenbildungen, ein Gemeinschaftsgefühl, Freundschaften oder lediglich eine Zweckgemeinschaft?
    Je mehr Personen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man jemanden findet, mit dem man auch über den Zweck der Reise hinaus, gerne die Zeit verbringt.

    4. Welche Rolle spiele ich bei dieser gesamten Unternehmen? Wird das, was ich bin und leiste wertgeschätzt?
    Beinhaltet so am Rande ein wenig den Punkt, wen schmeißen wir aus dem Raumschiff, wenn es knapp wird? Wink Aber in erster Linie mal, das Gefühl einen Wert zu haben und sich dementsprechend einbringen zu können.

    5. Inwieweit kann ich meine Persönlichkeit entfalten?
    Muss ich eine Uniform tragen, darf ich mir den Kopf rasieren, darf ich Hetero, Homo, Trans sein?
    Wo die Frage ist, wie starr sind die Regeln, die das ganze zusammenhalten müssen und in welchen Punkten darf absolute Freiheit herrschen, ohne ein Individuum einschränken zu müssen?


    Bei der Größe und Möglichkeiten, die z. B. eine Enterprise bietet, denke ich durchaus, dass diese gesamten Bedürfnisse prinzipiell erfüllt werden können und so eine lange Reise durchs All erfolgreich ist. Eine autarke Versorgung, nachvollziehbare Gesetze, eine unabhängige Rechtssprechung, erfüllende Arbeit, soziale Kontakte, individuelle Freiheit.
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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Crackle42 Sa Jan 18, 2020 5:45 pm

    Einspruch.
    Das mag zwar alles seine Geltung finden in der Serie (die ich mit Ausnahme der 3. (oder wars die 4.?) Staffel großartig finde), ich muss aber auch hier zu bedenken geben, dass das alles der Action, Spannung und Unterhaltung wegen keineswegs die Realität abbildet. Ja ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass das übertrieben ist. Warum? Nun, schau dir mal Mehrgenerationenhäuser an. Dort herrscht untereinander weder eine Diktatur noch ein totalitäres System. Gut, sie unterstehen immer noch dem Staat als Anführer sozusagen, aber es gibt auch in anderen Ländern genügend Beispiele für Systeme dieser Art, die so funktionieren (Amish People, Ureinwohner, Inuits, usw.). In Filmen ist alles darauf ausgelegt, dass es einen zu lösenden Konflikt gibt, was ja sonst auch keine Zuschauer oder Leser mit sich bringen würde. Im realen Leben ist es aber keineswegs so, dass der Mensch nach Konflikt trachtet sondern auf ein friedliches Miteinander aus ist. Evolutionsbiologisch ist das Gehirn sogar darauf ausgelegt, eine Gemeinschaft mit 150 Personen perfekt zuordnen zu können, d.h. wer mit wem in welcher Verbindung steht. Der Mensch ist nämlich kein Großstadtwesen sondern ein Kind des Dorfes wo sich alles in überschaubaren Maßen aufhält. Entsprechend glaube ich auch nicht, dass das System erst mal instabil ist, vor allem wenn man weiß, dass Manipulation oder Zerstörung nicht nur einen eigenen Nachteil mit sich bringt (im Sinne einer Bestrafung), sondern im schlimmsten Fall den Tod aller mit sich bringt. Und im Film gibt es zwar genügend Soziopathen, die auf ihre eigenen Vorteile bedacht sind, bei der Größe eines Dorfes halte ich es aber für schlichtweg unwahrscheinlich, dass solche Menschen groß aufkommen, denn an der Erziehung sind dann nicht nur die Eltern beteiligt, sondern eben alle. Es gibt da ein schönes Sprichwort: Um ein Kind zu zeugen braucht es zwei, um es zu erziehen ein ganzes Dorf.

    Was ich damit sagen will, dass das totalitäre System in dieser Weise unwahrscheinlich ist. Es mag wahrscheinlich den klassischen Dorfältesten geben, der aufgrund seiner Erfahrung und Weisheit die Entscheidungsgewalt hat, aber einen Diktator würde unweigerlich selbstzerstörerisch mit sich und der Gemeinschaft umgehen. Was im Zweifelsfall mit Kranken o.ä. passiert, die den "genetischen Fit" nicht entsprechen, bleibt eine andere Frage. An dieser Stelle könnte ich mir tatsächlich die Sinnhaftigkeit einer Rationalität vorstellen. Aber wenn der Mensch so weit entwickelt ist, dass er den Planeten auf mehrere Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte verlassen kann und entsprechende Technologien für allerlei Fälle hat, bleibt eine Erklärung offen, weshalb genetische Krankheiten nicht ausgemerzt sind - insbesondere wenn das Überleben der Menschheit davon abhängt.
    The 100 hatte an diesen Stellen viele Fehlschlüsse. Wenn Clarke darauf bedächt wäre, hätte sie sämtliche Frauen an Bord holen müssen und ein paar Männer. Das hatten wir in einem anderen Thread glaube ich mal diskutiert.
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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Viskey Mo Jan 20, 2020 7:40 pm

    Ich halte ein totalitäres System für möglich (wie man in der Realität leider gerade wieder beobachten kann, ist das immer eine Möglichkeit), aber keineswegs für zwingend.

    Wenn ich erst mal die erzwungene Fortpflanzung betrachte, ist da einiges zu machen, bevor man zu Zwangsbefruchtungen schreiten muss. Viele Frauen wollen heute keine Kinder - bzw erst spät in ihrem Leben -, weil Mutterschaft allen Emanzipationsbestrebungen zum Trotz immer noch zT gravierende Nachteile mit sich bringt. Wenn die Gesellschaft auf dem Generationenschiff es schfft, diese Ungleichheit abzustellen, sehe ich da keine großen Probleme.

    Bezüglich Ressourcenknappheit sehe ich eigentlich auch kein Problem. Wenn man so eine Unternehmung startet, dann stattet man dieses Schiff auch aus, nicht nur mit Vorräten, sondern vor allem auch mit Möglichkeiten, selbst für die eigene Produktion von Nahrung und Sauerstoff. Und es wird einige Failsafes geben und Redundanzen, um auch technische Probleme in den Griff bekommen zu können.

    Ein Generationenschiff schickt man ja nicht von heute auf morgen plötzlich los, das kündigt sich ja Jahre früher an, dass man das jetzt machen wird.

    In der Fiktion ist das totalitäre System natürlich ein interessanter Weg, weil es für Konflikte sorgt und ein Feindbild gibt. Aber in der Realität? Da sind die Menschen doch umsichtiger und vor allem auch sehr viel hilfsbereiter, wenn es tatsächlich hart auf hart kommen sollte. Schau dir eine Stadt an, die von Hochwasser erwischt worden ist. Die ganze Umgebung mobilisiert sich, Leute, die verschont geblieben sind, traben mit ihren eigenen Schaufeln und Schubkarren an und schaufeln den Schlamm aus den Häusern, die es getroffen hat. Möbel und Kleidung werden gespendet, damit die Betroffenen ersetzen können, was sie verloren haben ... Leute, die dir sonst genüsslich zusehen, während du dich in deinem Garten abrackerst und nicht eine Sekunde daran denken, dir zu helfen, stehen plötzlich auf der Matte und helfen.
    Wenn es ernst wird, stehen die Menschen zusammen und stützen sich. Ich sehe in der Realität also eher das Gegenteil: Die Gesellschaft wird viel gleichberechtigter, viel unterstützender und solidarischer.


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Crackle42 Mo Jan 20, 2020 10:05 pm

    Viskey schrieb:Wenn ich erst mal die erzwungene Fortpflanzung betrachte, ist da einiges zu machen, bevor man zu Zwangsbefruchtungen schreiten muss. Viele Frauen wollen heute keine Kinder - bzw erst spät in ihrem Leben -, weil Mutterschaft allen Emanzipationsbestrebungen zum Trotz immer noch zT gravierende Nachteile mit sich bringt. Wenn die Gesellschaft auf dem Generationenschiff es schfft, diese Ungleichheit abzustellen, sehe ich da keine großen Probleme.
    Ich antworte morgen bzw. die Tage ausführlicher drauf, jetzt lässt meine kognitive Leistung nach Very Happy
    Was mir aber dazu noch einfällt spielt auf deine Aussage hin. Wenn die Menschheit es schafft den Planeten langfristig zu verlassen, benötigt sie technischen Fortschritt. Ich meine vor Jahren mal einen Bericht gelesen zu haben, dass es gelungen ist einen Mann schwanger zu machen, sodass er ein Kind gebähren konnte. Die Frage die nun aufkommt wäre also, wie sähe so eine Gesellschaft bzw. Sytem (ob Raumschiff oder Erde) aus, wenn Männer sogar unabhängig von Frauen sich fortpflanzen können? Dann ist die biologische Komponente gänzlich entkoppelt, was den Thread mit der Gleichberechtigung von Frauen durch die Einführung der Pille nochmal auf eine neue Ebene bringt.
    Your turn Very Happy (bitte nur als Nebenszenario behandeln, ich will das ursprüngliche Thema nicht verlassen Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? 4116661953 )
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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Viskey Di Jan 21, 2020 8:15 pm

    Schade eigentlich, das wäre mal wirklich ein sehr spannender Ansatz. Andererseits, allen technischen Möglichkeiten zu Trotz wird es wohl auch eher ein Nebenschauplatz bleiben.

    Denn, auch mit technischen Möglichkeiten für Männer, eine Schwangerschaft wird sehr wahrscheinlich auch dann an den Frauen "hängenbleiben". Einfach, weil es für Frauen leichter ist. Sie brauchen (in aller Regel) keine aufwändigen Technologien, sie sind von Natur aus mit dem nötigen Equipment ausgestattet.
    Aber gerade für schwule Paare wäre das eine wirklich tolle Möglichkeit. Verdammt, jetzt will ich das in meine Geschichte einbauen (in der ich genau so ein Generationenschiff habe ... also irgendwie ...)


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Strato Incendus Mi Jan 22, 2020 12:13 am

    Bevor hier die Fantasie mit euch durchgeht: Falls Crackle42 Thomas Beatie meint (tauchte damals im View-Magazin auf): Der ist Transgender, wurde also als Frau geboren und hat dementsprechend alle notwendigen reproduktiven Anlagen. Smile

    Bleibt euch also nur die hypothetische Erfindung einer künstlichen (externen) Gebärmutter.

    Jedoch: Bei The 100 zeigt sich ja gerade, wie Menschen vor allem dann in archaische Muster zurückfallen, wenn all dieser technologiebedingte Komfort plötzlich wieder wegfällt. Wink Was nun auch nicht gerade abwegig ist da draußen im All, und wie gesagt, Ersatz bekommt man dann keinen. Tatsächlich berechnen einige Kalkulationen darüber, wie groß die Besatzung eines Generationenraumschiffs mindestens sein müsste, ja auch mit ein, wie viele Personen durch zufällige Katastrophen an Bord umkommen könnten.


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Viskey Mi Jan 22, 2020 7:40 pm

    Genau das meinte ich ja ... Bevor man ein Generationenschiff losschickt, wird man das sehr genau planen. Überlegungen dazu gibt es ja jetzt schon. Damit eine Population stabil bleibt, muss ein Paar zB 2,1 Kinder bekommen (glaub ich mich zu erinnern) ... so statistisch betrachtet, weil man eben nicht weiß, was sein wird. Auch wenn man medizinisch auf dem besten Stand ist, irgendwas kann ja immer sein, und wenn's ist, dass das Kind zu Hause in der Wanne ertrinkt ... aus rein biologischer Populations-Sicht muss dieses Kind dann möglichst schnell ersetzt werden.

    Und wenn es um das Überleben der Menschheit geht, wird man sicher alles doppelt und dreifach absichern.

    Die Gefahr des totalitären Systems seh ich hier eher davor gegeben: Um diese Absicherung zu gewährleisten, um genug Rohstoffe und Ressourcen an Bord zu bekommen, wird die Erde bis aufs Blut ausgebeutet, und wer auf der Erde noch lebt und nicht mit aufs Schiff kommt, weil dort halt nur begrenzt Platz ist, hat halt Pech gehabt. Und das lässt sich ohne totalitäre, tyrannische Machtstrukturen kaum umsetzen.
    DANN ist tatsächlich die Gefahr gegeben, dass sich diese Machtstruktur im Generationenschiff weiterzieht, weil das so schön praktisch war, und Totalitarismus ziemlich schwer zu brechen ist.

    In dem Sinne, ja Generationenschiffe bergen die Gefahr, ein totalitärer Albtraum zu sein ... nicht aber zu werden, aufgrund des geschlossenen und beschränkten Systems.


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    Beitrag von sindar Do Jan 23, 2020 11:31 am

    Mein groesstes Problem mit einem Generationenraumschiff ist ein ganz anderes. Das sind Leute nicht nur auf einem Raumschiff aufgewachsen, sondern auch von Leuten erzogen worden, die auf dem Raumschiff aufgewachsen sind. Das Wissen darum, wie man auf einem Planeten lebt, ist seit vielen Generationen graue Theorie. Dann kommen sie an - und dann?

    Ein sehr aehnliches Thema hat uebrigens das Rollenspiel Earthdawn. Da musste die Leute (nicht nur Menschen, sondern auch Elfen, Zwerge, Echsenmenschen, Windlinge und andere) fuer ca. 400 Jahre in unterirdischen Zufluechten leben, sogenannten Kaers. Die Autoren haben das ganz gut funktionieren lassen, jedenfalls fuer die Kaers, die ueberlebt haben (man spielt ca. 80 Jahre nach dem Oeffnen der ersten Kaers). Viel Wert wuerde auf Erhalten der Ueberlieferungen gelegt, ebenso darauf, dass alle Faehigkeiten zum draussen Ueberleben erhalten blieben.


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    Beitrag von Strato Incendus Do Jan 23, 2020 2:16 pm

    Damit eine Population stabil bleibt, muss ein Paar zB 2,1 Kinder bekommen

    Dieses "muss" ist eben genau der Knackpunkt für mich. Wink Die ,1 hinter der 2 ist ja bereits eine Sicherheitsvorkehrung, nämlich um die Kinder mit einzuberechnen, die aus was für Gründen auch immer sterben.

    "Sicherheit" und "Einschränkung von Freiheit" gehen oft Hand in Hand. Wenn man also diese "Sicherheitslogik" weiterführt, ergeben sich schnell noch weitere potenzielle Einschränkungen für die Bevölkerung eines solchen Raumschiffs:

    Die Fruchtbarkeit ist am höchsten in den frühen 20ern, sinkt ab 30 bereits erheblich, und nach 40 dann nochmal. Auch hier muss man, analog zum Tod von bereits geborenen Kindern, Dinge wie Fehlgeburten mit einberechnen. Gibt es also ggf. nicht nur Vorschriften, wie viele Kinder jedes Paar haben muss (mindestens 2, wenn nicht sogar mindestens 3, denn die 2,1 kann man ja sonst nicht garantieren), sondern auch, wann in ihrem Leben?

    Damit käme man so etwas wie einer "Gebärpflicht" schon nahe - denn die Wehrpflicht (reimt sich Razz ) kann in einigen Ländern auch vom Alter her flexibel abgeleistet werden. In Südkorea etwa irgendwann zwischen dem 18. und 29. Lebensjahr (nur für Männer). Das wäre dann der Logik nach auch ziemlich genau der Zeitpunkt, in dem die Kinder auf einem Raumschiff zur Welt kommen müssten.

    Das Totalitäre braucht also keineswegs einen Diktator, der sich auf Kosten der Bevölkerung ausschließlich selbst bereichert - es reicht schon, wenn allein die Umstände hart genug sind, dass sie Zwangsmaßnahmen... nun ja... erzwingen. Die Umwelt zwingt die Anführer, und die Anführer zwingen ihre Untertanen, bestimmte Dinge zu tun.

    Siehe wieder The 100, da gibt es eigentlich nirgendwo einen Anführer, dem es deutlich besser geht als der Gruppe, die er anführt. Er oder sie hat halt höchstens im Zweifelsfall das Privileg, eher zu überleben, weil seine / ihre Führungsfähigkeiten für das Überleben der Gruppe wichtiger sind als das eines einzelnen Bauern, Soldaten oder Arbeiters. Deshalb steht dann natürlich auch Clarkes bzw. Olivias Name auf der Liste, wann immer wieder einmal 100 Leute zum Überleben ausgewählt werden müssen.


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Crackle42 Do Jan 23, 2020 8:17 pm

    Strato Incendus schrieb:Siehe wieder The 100, da gibt es eigentlich nirgendwo einen Anführer, dem es deutlich besser geht als der Gruppe, die er anführt. Er oder sie hat halt höchstens im Zweifelsfall das Privileg, eher zu überleben, weil seine / ihre Führungsfähigkeiten für das Überleben der Gruppe wichtiger sind als das eines einzelnen Bauern, Soldaten oder Arbeiters. Deshalb steht dann natürlich auch Clarkes bzw. Olivias Name auf der Liste, wann immer wieder einmal 100 Leute zum Überleben ausgewählt werden müssen.
    Plot Gründe, dass der Hauptcharakter nicht ausgesiebt wird. Gut, sie ist im Heilen vertraut, das gibt Pluspunkte aber wenn es rationale Gründe gibt, müsste sie auf der Liste steht, weil sie eine junge gesunde Frau ist und Kinder gebären kann. Davon mal abgesehen, dass 100 Leute gar nicht ausreichen würden um die Erde zu bevölkern, genauso macht es keinen Sinn, dass von den 100 Jugendlichen 5-10 homosexuell sind und damit auch nichts zum Überleben der Menschheit beitragen.

    Hier ist übrigens der Artikel auf den ich Bezug nehmen wollte. Es war tatsächlich ein transsexueller Mann aber in dem Artikel geht der Forscher von anderen Ansichten aus.

    Wenn ich erst mal die erzwungene Fortpflanzung betrachte, ist da einiges zu machen, bevor man zu Zwangsbefruchtungen schreiten muss. Viele Frauen wollen heute keine Kinder - bzw erst spät in ihrem Leben -, weil Mutterschaft allen Emanzipationsbestrebungen zum Trotz immer noch zT gravierende Nachteile mit sich bringt. Wenn die Gesellschaft auf dem Generationenschiff es schfft, diese Ungleichheit abzustellen, sehe ich da keine großen Probleme.
    Darauf wollte ich noch eingehen.
    Das ist ein Phänomen der Moderne, dass das als Ungleichheit angesehen wird, dass eben nur 50% der Menschen Kinder gebären können. Du nimmst sicher Bezug auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben, dass Frauen Kinder, Haushalt und Beruf unter einen Hut bringen müssen (Stichwort work-life-balance) usw., oder täusche ich mich da? Wenn dem so ist: Warum kräht kein Hahn nach der Ungerechtigkeit unter Männern? Dass ihre Suizidrate höher ist, sie häufiger im Gefängnis sitzen, sie eine geringere Lebenserwartung haben, dass sie bei Scheidungen nahezu immer ihre Kinder verlieren und so weiter, und so fort. Das Wort Ungerechtigkeit im Zuge der Emanzipation ist immer so einseitig beleuchtet, das es schon lächerlich ist.
    Wenn man sich ältere Stämme mal anschaut, die traditioneller leben, da sieht man deutlich, dass das ganze Dorf die Kinder erzieht: Großeltern, Eltern, alles was zur Familie gehört, zum Clan. Da obliegt es nicht Frau-allein oder Eltern-allein, diesen Job zu übernehmen. Weil wir in immer größeren Städten leben hat es die Entwicklung eben so mit sich gebracht, dass das ein Single-Job der Eltern wurde. Auf einem Mehrgenerationenraumschiff wage ich zu bezweifeln, dass sowas zustande kommt und solche "Probleme" wie Emanzipation dort auch nur ansatzweise diskutiert werden. Solchen Luxus kann man sich dort wahrscheinlich weniger erlauben zu diskutieren
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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Viskey Fr Jan 24, 2020 10:04 pm

    Genau diese Ungleichheit meine ich.

    Und du argumentierst für mich, wenn du sagst, dass es ein Dorf braucht, um ein Kind großzuziehen. Da müsste das Generationenschiff hin, dass Kinder nicht zur Bürde werden, für die nur einem Elternteil (bei uns heute in der Regel die Mutter) die Verantwortung zugesprochen wird. - Ob die Väter sich das so aussuchen, dass sie ausgeklammert werden, sei mal dahingestellt. Tatsache ist, wenn wir von Alleinerziehenden sprechen, sehen die meisten eine Mutter vor dem geistigen Auge, nicht einen Vater. Wir leben in einer Gesellschaft, in der allen Bestrebungen zum Trotz Kindererziehung immer noch vor allem als Frauensache gesehen wird - von Männern wie Frauen. Ist leider immer noch sehr verbreitet.

    Da das so ist, entscheiden sich viele Frauen gegen Kinder, oder gegen Kinder in den biologisch günstigen Jahren, weil damit das ganze Leben "vorbei" zu seinn scheint. Oder weil man "dem Kind ja was bieten können muss", also ein gewisses finanzielles Polster vorhanden sein muss.

    Und genau an dem Punkt könnte man auf einem Generationenschiff einhaken, um Fortpflanzung attraktiver zu machen, bevor man mit Befruchtungsbefehl ankommem muss. Ich kann mir auch vorstellen, dass eine ganz rationale Aufklärung über die notwendige Geburtenrate einiges dazu beiträgt, dass es läuft.

    Die Mehrgenerationen-Familie läuft im übrigen, soweit ich das jedenfalls im Umfeld beobachte, eh heute auch noch. Man lebt zwar nicht mehr unter dem selben Dach, aber viele Familien kämen ohne Oma und Opa nicht zurecht.

    Ich will ja gar nicht ausschließen, dass sich eine totalitäre Gesellschaft mit Geburtenkontrolle usw entwickelt. Ich sehe nur nicht, dass es zwingend sein muss.


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Crackle42 So Jan 26, 2020 11:14 am

    Viskey schrieb: Genau diese Ungleichheit meine ich.

    Und du argumentierst für mich, wenn du sagst, dass es ein Dorf braucht, um ein Kind großzuziehen. Da müsste das Generationenschiff hin, dass Kinder nicht zur Bürde werden, für die nur einem Elternteil (bei uns heute in der Regel die Mutter) die Verantwortung zugesprochen wird. - Ob die Väter sich das so aussuchen, dass sie ausgeklammert werden, sei mal dahingestellt. Tatsache ist, wenn wir von Alleinerziehenden sprechen, sehen die meisten eine Mutter vor dem geistigen Auge, nicht einen Vater. Wir leben in einer Gesellschaft, in der allen Bestrebungen zum Trotz Kindererziehung immer noch vor allem als Frauensache gesehen wird - von Männern wie Frauen. Ist leider immer noch sehr verbreitet.
    Jein. Du hast recht in der Hinsicht, dass das heute noch immer eher als Frauensache angesehen wird, was aber auch an Stigmatisierung liegt (auch durch Frauen!), wenn Männer sich dem annehmen (wollen). Es gab mal einen Bericht von einem Familienvater, wo er der Hausmann und die Frau im Beruf nach kurzer Pause war. Er wurde regelrecht diskriminiert, am Kindergarten gemieden, nicht zu "Kaffeekränzchen" eingeladen, schlichtweg, weil er ein Mann war. Das ist keineswegs ein einseitiges Problem.
    Was ich mit dem Dorf aber meinte ist, dass in unserer Gesellschaft die Mammutlast bei den Eltern (oder: der Frau) liegt. In einem Dorf mit knapp 150 Leuten ist das nicht der Fall. Da erzieht jeder dieses Kind und es hat zwar noch seine leiblichen Eltern aber eben deutlich mehr Bezugspersonen, weil eine größere Verbindung zu jedem Menschen besteht. Darauf sind wir biologisch eben getrimmt, in einer Gemeinschaft mit dieser Anzahl zu leben. Umgekehrt bedeutet das, das ein Kind auch von einem Mann gebärdet werden könnte sofern technisch möglich, weil die Erziehung unabhängig davon immer durch das Dorf geschieht.


    Da das so ist, entscheiden sich viele Frauen gegen Kinder, oder gegen Kinder in den biologisch günstigen Jahren, weil damit das ganze Leben "vorbei" zu seinn scheint. Oder weil man "dem Kind ja was bieten können muss", also ein gewisses finanzielles Polster vorhanden sein muss.
    Da wäre ich vorsichtig mit kausalen Rückschlüssen. Da kommen noch andere Faktoren hinzu wie Studium, instabilere Beziehungen, Leistungsgesellschaft, Verantwortungsgefühl, wirtschaftliche Lage und so fort.

    Und um damit wieder auf die Ausgangsfrage zurückzukehren, möglich wäre ein totalitäres System schon, ich halte es aber für extrem unwahrscheinlich neben genannten Gründen der Technologie, dass der Mensch in einer kleineren Gesellschaft automatisch "back to the roots" verfallen würde was als das ursprüngliche Leben gilt und es dort - den Anzeichen nach - ein wesentlich harmonischeres Miteinander gibt als wir uns das ausmalen.
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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Strato Incendus So Jan 26, 2020 1:45 pm

    Crackle42 schrieb:Umgekehrt bedeutet das, das ein Kind auch von einem Mann gebärdet werden könnte sofern technisch möglich, weil die Erziehung unabhängig davon immer durch das Dorf geschieht.

    Aber immer noch nicht von einem Mann gestillt... Very Happy

    Natürlich gibt es auch dafür wieder technische Methoden. Also wenn Mami ihm jeden Morgen die Milch da lässt und das Kind quasi von Anfang nur aus der Flasche trinkt. Die Wochenbettphase bleibt trotzdem noch. Und so weiter und so fort.

    Wobei der technische Aufwand, eine Gebärmutter in einen Körper einzupflanzen, der nicht dafür gemacht ist (inklusive zu verhindern, dass das "Organ" abgestoßen wird etc.), wahrscheinlich viel höher wäre, als eine künstliche Gebärmutter direkt außerhalb irgendeines Körpers existieren zu lassen. Quasi einfach wie ein Brutkasten, nur eben von Anfang an. Auch das würde jedoch natürlich mehr Energie benötigen, weil man diese Kästen ja die ganze Zeit warmhalten muss, und das für die gesamte Generation an Babies auf diesem Schiff, während die Körperwärme der Mutter "kostenlos" ist, zumindest solange die Mutter selbst ebenfalls noch lebt. Und die Eltern braucht man ja weiterhin, mindestens als Spender für Ei und Samen. Also muss man bei künstlichen Gebärmuttern mehr der Gesamtenergie des Schiffs als Wärmeenergie einsetzen (und zwar eben nicht nur auf 21° Zimmertemperatur für die bereits Geborenen, sondern für die Föten zusätzlich auf 37°). Wärmeenergie, die komplett vom Schiff selbst kommen muss, denn drumherum herrschen ca. -271° C.

    Jetzt muss das Schiff aber ja vor allem genug Energie haben, um mindestens 4-5 Lichtjahre weit zu fliegen. Wink

    Warum also diesen extremen energetischen Extraaufwand betreiben, auf einem Schiff, wo ohnehin schon alle Ressourcen streng begrenzt sein werden?  scratch  Nur, damit Männlein und Weiblein exakt die identischen Jobs machen können und keine/r länger ausfällt als der/die andere? Das geht vielleicht anfangs noch gut, endet aber, sobald der Besatzung die Begrenztheit der eigenen Ressourcen immer stärker bewusst wird...

    "Get woke, go broke" gilt dann vielleicht auch an Bord eines solchen Schiffes... Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? 3434132744


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Schattenbrecher So Jan 26, 2020 2:02 pm

    Hier ist aber "Energie!" in der Luft.

    Das ist alles interessant mitzulesen, aber:
    Worum geht es dir, Strato Incendius?
    Soweit ich es verstanden habe, geht es ungefähr um die Gedanken/Erwägungen einer Gesellschaft, die zumindest in Betracht zieht früher oder später auf ein Generationenraumschiff zu gehen. In deiner Sci-Fi-Geschichte.
    (Ich habe eine Weile gebraucht, um das herauszulesen, da es hier keine konkrete Kern-Frage oder eine Bitte gibt, die am Anfang oder Ende steht. Daher kann es sein, dass ich das Thema ein wenig verfehle.)

    Allgemein können wir alles mögliche behaupten und von unterschiedlichen Grundbedingungen ausgehen (bezogen auf die Titelfrage). Wie Crackle42 sagte: Mit Rückschlüssen muss man aufpassen.
    Daher frage ich:
    1. Was ist in deiner Geschichte bereits gegeben?
    (Zeitpunkt, technolog. Entwicklungen, Ethik, Kultur, Art der Katastrophe, Religion, Zeitgeist, Charakter deiner Figuren, Milieus, Wirtschaft, Geschichte, Szenenideen...)

    Dabei gehe ich davon aus, dass sich das auf Menschen bezieht, die keine Eigenschaften haben, die von den unseren abweichen. Andere imaginäre Spezies haben ja gerne eine andere Psyche und Fähigkeiten und alles, wie man es bei Warhammer sehr schön sehen kann. Oder natürlich Star Trek.

    2. Worauf möchtest du deinen Fokus legen?
    - Charaktere (und wie sie sein können in dem Szenario)?
    - Ethik (wie sie sich entwickelt / was sich auf Totalitarismus auswirkt)?
    - Wie es genau ablaufen müsste (nach Determinismus/tendenziell unter bestimmten Umständen)?
    - Soziale Phänome, die sich abspielen könnten / wie du sie "realistisch"/glaubwürdig durch dieses Genre darstellst?
    - Technologische und soziale Zusammenhänge?

    Strato Incendius schrieb:Einige Faktoren aus dem Kosmos spielen jedoch zumindest eine philosophische Rolle für das, was in meiner Geschichte "am Boden" passiert.
    Das ist sehr vage. Auf welche Art? Bereitet sich eine Gesellschaft darauf vor, so ein Schiff zu bauen? Ist es bereits gebaut worden? Wurde so ein Schiff gefunden? Oder ist sie in dem Schiff und fragt sich, was am Boden abläuft? Ich habe keine Ahnung, wovon du da sprichst.
    -> 3. In welchem Entwicklungsstadium befindet sich denn deine Geschichte?

    Strato Incendius schrieb:Ein zentraler Punkt ist dabei, dass das Leben auf jedem Planeten irgendwann endet, spätestens dann, wenn sein Stern zum roten Riesen wird - und die Möglichkeiten, einen Planeten für einen anderen zu verlassen, stark begrenzt sind. Einfach aufgrund der absurden Distanzen zwischen den Sternen.
    Also hast du keinen konkreten Zeitpunkt, wann oder auf welche Weise diese Flucht ausgelöst wird. Das kann schon einen großen Unterschied machen, aus logistischen, psychologischen und religiösen Gründen (um nur einige zu nennen). Was einander wiederum beeinflusst.
    -> 4. Was genau und auf welche Weise möchtest du denn eigentlich deine Geschichte schreiben?
    Wie gehst du vor? Was ist deine Haltung dazu? Offensichtlich machst du dir sehr genaue Gedanken (Realismus). Aber was möchtest du realistisch darstellen? Was ist dir neben Realismus noch wichtig, bezogen auf den Schreibstil. Und vor allem: Deine Haltung zum Schreiben. Wie ernst ist dir das Ganze? Oder ist dir nur wichtig, dass es glaubwürdig und logisch ist?

    Ich würde gerne auch etwas beitragen. Daher bitte ich allgemein um konkretere Informationen. Hoffentlich konnte ich ein wenig weiterhelfen.

    Mit freundlichen Grüßen,
    (vielleicht gar nicht so weit entfernt)
    Schattenbrecher


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Crackle42 So Jan 26, 2020 4:31 pm

    Schattenbrecher schrieb:Worum geht es dir, Strato Incendius?
    [...]
    Ich würde gerne auch etwas beitragen. Daher bitte ich allgemein um konkretere Informationen. Hoffentlich konnte ich ein wenig weiterhelfen.
    So wie ich den guten Strato inzwischen kenne ist er diskutierfreudig und möchte zu allerlei Themen andere Ansichten, Meinungen oder sogar Fakten hören. Sagen wir die Perspektive erweitern, um Gelerntes in die Geschichte potenziell einzubinden Wink

    Wobei der technische Aufwand, eine Gebärmutter in einen Körper einzupflanzen, der nicht dafür gemacht ist (inklusive zu verhindern, dass das "Organ" abgestoßen wird etc.), wahrscheinlich viel höher wäre, als eine künstliche Gebärmutter direkt außerhalb irgendeines Körpers existieren zu lassen.
    Touché. Es sollte darauf hinauslaufen, dass so ein Mehrgenerationenraumschiff mit derlei Technik dann potenziell ausschließlich aus Männern bestehen könnte aber ich sagte ja, das führt vom Thema weg Very Happy Wer übrigens ein Raumschiff bauen kann, das mehrere Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte Strahlung aushalten kann und autark funktioniert, sollte meiner Vorstellung nach nicht weit davon entfernt sein diese Möglichkeit der Befruchtung im Petto zu haben; und das nicht einmal mit übertriebenem Aufwand aus dem schlichten Grund, weil an Bord immer ein Notfall geschehen kann und man einen Plan B braucht.



    Wer auch immer das war und sofern es kein Versehen war, ich finde es unsittlich jemand bei einer Diskussion negativ zu bewerten - selbst bei Meinungsverschiedenheiten.
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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Strato Incendus So Jan 26, 2020 5:06 pm

    Hallo Schattenbrecher,

    meine Geschichte ist und bleibt eine Fantasy-Geschichte, die in einer eher mittelalterlich geprägten Welt spielt. Allerdings gibt es natürlich, wie in den meisten Fantasy-Geschichten, Magie - und da die bei mir nur als eine weitere Wissenschaft zählt, sind die Grenzen zwischen Magie in technologischer Entwicklung fließend. Wink Charaktere mit magischer Ausbildung, insbesondere solche mit einem Fokus auf sogenannten Erkenntniszaubern (s. Dungeons & Dragons), verfügen daher über Wissen, das der normale Bürger im Mittelalter selbstverständlich noch nicht hatte. Erkenntnismagie (die, die sie mit besonderem Schwerpunkt ausüben, werden Seher genannt) beinhaltet bei mir explizit nicht die Möglichkeit, in die Zukunft zu sehen - dafür jedoch in die Köpfe anderer Menschen (Telepathie) und über große Entfernungen hinweg / durch Hindernisse hindurch. Wenn man den Blick jetzt an den Sternenhimmel richtet bzw. einen Erkenntniszauber ins All schickt, sieht man natürlich technisch gesehen "in die Vergangenheit" - weil das Licht, das auf das menschliche Auge trifft, ja alles zwischen einigen Minuten und Millionen von Jahren alt sein kann, je nachdem, was man betrachtet.

    Für die Philosophie meiner Geschichte relevant - bzw. konkret für die Weltsicht des Antagonisten - ist aus "Weltraumsicht" vor allem die Endlichkeit der eigenen Welt, verbunden mit der Unmöglichkeit, sie zu verlassen. Das bedeutet nämlich, dass irgendeine Generation zwangsläufig die letzte auf dem Planeten sein wird, die die Apokalypse dann am eigenen Leib miterlebt. Ob das durch einen Meteoriteneinschlag, eine Supernova, einen Gammablitz, oder am Ende einfach dadurch passiert, dass die Sonne langsam zum roten Riesen wird, also ein solar bedingter Klimawandel einsetzt, ist dann zweitrangig. Wichtig ist nur: Egal, was man macht, irgendeine letzte menschliche Generation fällt am Ende einem Massensterben zum Opfer. Das ist die langfristige Sicht / Makroebene.

    Die kurzfristige Sicht / Mikroebene des einzelnen Individuums ist natürlich: "Das ist in ferner Zukunft und wird mich persönlich oder meine Kinder und Enkel nicht mehr betreffen." Auf individueller Ebene erlebt jeder Mensch angenehme und leidvolle Erfahrungen, wobei jedoch auf die gesamte Lebensspanne bezogen die leidvollen Erfahrungen überwiegen - selbst wenn nicht in ihrer Häufigkeit, dann doch in ihrer Schwere. Der Gedanke, dass das Leben an sich ein Ort des Leidens ist, ist natürlich einerseits im Buddhismus prominent, aber auch viele christliche Interpretationen würden dem zustimmen. Sie unterscheiden sich vor allem darin, was danach kommt - entweder das Nichts, oder aber ein glücklicheres Leben im Himmel.
    Deswegen war das Mittelalter ja auch so stark religiös geprägt: Weil das Hier und Jetzt für die meisten Menschen ziemlich mies war, also wollten sie möglichst gottgefällig leben, in der Hoffnung, dafür nach dem Tod belohnt zu werden. Paradox daran ist eben nur, dass es als gottgefällig galt und immer noch gilt, viele Nachkommen zu haben ("gehet hin und vermehret euch"). Zumindest scheint das paradox, wenn man das Leben als vor allem leidvoll geprägt betrachtet. Aus evolutionärer Sicht ist es nicht paradox, denn "Reproduktion = Gottes Wille" ist vermutlich lediglich eine Projektion unseres biologischen Instinkts, den Fortbestand nicht nur der eigenen Gene, sondern auch der eigenen Spezies als Ganzes zu sichern.
    Diese Aussicht, den Fortbestand der menschlichen Zivilisation zu gewährleisten, macht es für viele Menschen wert, die Anstrengungen des Lebens nicht nur sich selbst, sondern auch den eigenen Kindern aufzuerlegen. Nach dem Motto: "Ja, das Leben ist hart, aber wir tun es für einen höheren Zweck, nämlich für die Menschheit als Ganzes."

    Wer aufmerksam ist, dem fällt auf, dass das ein Zirkelschluss ist - denn wenn das Leben für den Einzelnen in Summe eher negativ ist, welchen Wert hat dann der Fortbestand der Menschheit als Selbstzweck? Wink Die Verbindung zur langfristigen Sicht jedoch macht diese Diskussion eh hinfällig, denn wenn klar ist, dass die Menschheit irgendwann auf ihrem eigenen Planeten ausgelöscht werden wird, dann fällt sogar diese Begründung des höheren Zwecks weg.

    Der Endgegner meiner Geschichte ist ein untoter Magier. Er ist also in der Lage, u.a. Erkenntniszauber zu wirken und auf diese Art und Weise das notwendige Wissen über den Kosmos auf Basis von beobachtbaren Phänomenen zusammenzutragen. Erst dadurch erhält er die Basis für seine Ideologie.

    Mehr dazu in folgenden Threads:
    Ideologie meines Bösewichts
    Eine grobe Übersicht über das Magiesystem

    Kleiner Zusatz: Ich habe die Erkenntniszauber im Vergleich zur Inspirationsquelle Dungeons and Dragons deutlich "generft", also abgeschwächt. Very Happy Einfach, weil eine solche Disziplin die Gefahr birgt, durch Übermacht jede Menge Plotholes zu verursachen.

    - Es ist zum einen nicht möglich, in die Zukunft zu sehen, um eine definitive Antwort darauf zu erhalten, wie Dinge sich entwickeln werden. Man kann höchstens versuchen, so viel Wissen wie möglich über die Gegenwart zu sammeln, um die Zukunft auf Basis vorliegender Daten möglichst genau vorhersagen zu können (Extrembeispiel: Laplace'scher Dämon).
    - Zum anderen sind die Erkenntniszauber auch kein Orakel, oder ein Sprachrohr an einen Gott / eine höhere Entität, das/ den / die man Dinge fragen könnte wie "Wie kann ein Mensch mit Überlichtgeschwindigkeit reisen?" Sie sind mehr ein "Allround-Messinstrument", das einem die Welt zeigt, wie sie ist. Sie erlauben, alles Mögliche zu beobachten, auf subatomarer bis auf kosmischer Ebene - aber sie erklären einem nichts. Dafür muss der Mensch schon noch seinen eigenen Verstand gebrauchen.



    Ein Beispiel:
    Kurz vor der finalen Schlacht betet einer der fünf Hauptcharaktere, ein Priester des Sonnengottes, ein letztes Mal zu seinem Gott. Das ist in der Hauptstadt, wo auch die Zauberakademie liegt. Eine Seherin bietet ihm an, mit seinem Gott "von Angesicht zu Angesicht" zu sprechen, in der Hoffnung, durch dieses Erlebnis seinen Glauben und seine Motivation für den bevorstehenden Kampf stärken zu können. Der Erkenntniszauber zeigt dem Priester die Sonne, wie sie wirklich ist, im Weltraum, umgeben von ihren Planeten. Das zeigt ihm jedoch auch, dass sie genau so aussieht wie Milliarden anderer Sterne um sie herum - dass sein vermeintlicher Gott keineswegs einzigartig ist, nichts Besonderes. Dann findet er einen Stern, der bereits "tot" ist, einen weißen Zwerg - und kurz danach einen roten Riesen, der die Welten, die ihn umgeben, verbrennt.
    Er geht also in die Situation hinein in dem Wunsch, seinen Glauben zu stärken - mit der Konsequenz, dass er ihn verliert. Er sieht mit eigenen Augen, dass das, was er für einen Gott hielt, genauso sterblich ist wie alles andere auch. Und dass dieser Gott das Leben, das er ermöglicht, am Ende genauso wieder zerstören wird, wie er es erschaffen hat.



    Ein Generationenraumschiff nun wäre eine Möglichkeit, diesem Schicksal zu entfliehen. Alle schnelleren Methoden, die wir in Betracht ziehen können (siehe Startpost), sind wahrscheinlich schlicht technisch nicht möglich, was den Antrieb angeht. Bei einem Generationenraumschiff hingegen wäre die Hauptherausforderung ein in sich geschlossenes, autarkes Versorgungssystem (das jede andere Raumschiff-Lösung ebenfalls braucht). Rein vom Tempo des Schiffs her wäre so ein Raumschiff hingegen jederzeit machbar.

    Da stellt sich also mehr die Frage, ob wir das wollen. Ist unser Wille, zu überleben, so stark, dass wir bereit wären, es zu solchen Bedingungen zu tun, wie sie sich dann an Bord eines solchen Raumschiffs entwickeln würden? Wink

    Oder lautet die Antwort: "Wenn das Überleben nach der Apokalypse so aussähe - dann lieber gar nicht?" scratch

    Crackle42 schrieb:So wie ich den guten Strato inzwischen kenne ist er diskutierfreudig und möchte zu allerlei Themen andere Ansichten, Meinungen oder sogar Fakten hören. Sagen wir die Perspektive erweitern, um Gelerntes in die Geschichte potenziell einzubinden

    Erneutes Danke an meinen "Interpretierer!" cheers Razz Wink

    Ja, bitte, widerlegt meine Thesen, immer gerne! Smile Das ist ja das, was man aus wissenschaftlicher Sicht eigentlich will... bzw. wollen sollte  Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? 3402984712  ...

    Und das ist wohl auch der Vorteil bei einer eher pessimistischen Weltsicht - jedes Mal, wenn man widerlegt wird, ist das ein Grund zur Hoffnung! Very Happy

    Eure Beispiele vom menschlichen Zusammehalt bei Naturkatastrophen etwa wären so etwas - oder auch die Bilder, die ich z.B. auf YouTube durch Drew Binsky bei seinen Afrikareisen gesehen habe. Wo Menschen erkennbar unter einfachsten bis miserablen Bedingungen leben und trotzdem ein Lächeln im Gesicht haben, und auch wildfremden Menschen spontan aushelfen.

    Die Frage ist halt immer, wie lange so etwas anhält. Die Unterscheidung zwischen "severe life events" und "daily hassles" etwa legt ja auch nahe, dass Schicksalsschläge Menschen eigentlich eher zusammenbringen, wohingegen es die vielen negativen Kleinigkeiten des Alltags sind, die sich aufaddieren und die Menschen zermürben. Das verdeutlicht dann auch, dass die Behauptung, das Leben sei insgesamt stärker von negativen als von positiven Ereignissen geprägt, nicht viele Schicksalsschläge erfordert, um wahr zu sein (wobei auch die natürlich jeder erlebt, und wenn es nur der unweigerliche Tod älterer Verwandter ist). Vielmehr geht es um die Summe des Kleinkrams, und die Frage, welchen Zweck dieser "Kleinkram-Stress" hat, außer sich selbst immer weiter fortzusetzen.

    Solange, bis spätestens die eigene Sonne den Laden dicht macht. Very Happy


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Schattenbrecher Mo Jan 27, 2020 12:30 am

    Ich habe jetzt mal eine Positivstimme dagegen gesetzt. Ist eine gut gepflegte Unterhaltung hier.

    Danke Strato! Das ist sehr übersichtlich! Damit kann ich super arbeiten.

    Sammeln und diskutieren...
    dann hätte ich da noch einiges zu sagen. Vor allem aus philosophischer Sicht.
    Das mit dem Nekromanten hatte ich zuvor schon gelesen.
    Aber Mann, bist du pessimistisch.
    (Ich werde es nicht zu ernst oder persönlich nehmen, aber ich möchte dich schon gerne etwas positiver stimmen.)

    Erst einmal sage ich nur:
    Ich habe selbst Erfahrungen mit Depressionen (Perfektionismus, soziale Ängste, sich verstellen, keinen Sinn sehen, Motivations- & Interessenslosigkeit), der eigenen Wahrnehmung und Gedanken, Gesellschaftsphänomen und so weiter gemacht. Zudem habe ich eine gute Menschenkenntnis. (Auch wenn das im Digitalen Raum längst nicht so gut funktioniert mit der Kommunikation.)
    Das man etwas als Belastung empfindet bedeutet noch lange nicht, dass es so sein muss oder dass es überhaupt ein echtes Problem gibt. Nur weil du wenig Hoffnung hast, bedeutet es nicht, dass kein Potenzial vorhanden ist. Dass es keine Chancen gibt. Oder dass andere so empfinden wie du (bzw aus den gleichen Gründen).
    Jeder urteilt nach seinem eigenen Weltbild. Und Diskussionen sind wertvoll. Aber je mehr du dabei an deiner eigenen Meinung festhältst, umso weniger kann man dich von etwas anderem überzeugen. Psychologisch. Einfach, weil dein Gehirn sich anderen Erklärungen verschließt oder du sie noch nicht herstellen kannst.
    Wenn du dich überzeugen lassen möchtest, solltest du dich bemühen, uns entgegen zu kommen und nicht zu polarisieren. (Alles ist ja schlecht, weil... - Ja, warum ist es denn so? Warum denkst du das X Y ist? Ich glaube an was anderes.) Geh kleine Schritte. Man hält sich besser fern von Verallgemeinerungen und Rückschlüssen. Unabhängig davon, worum es geht und welche Meinung man hat.
    (An deiner Erklärung mit dem Magier, der seinen Glauben verliert sehe ich auch einige Logikfehler. Im Mindesten fehlen Erklärungen.)

    Das meine ich alles natürlich positiv und konstruktiv.
    Demnächst äußere ich mich sachlicher, ich wollte dir nur schnell noch einen kleinen Hoffnungsschimmer mitgeben.

    Hold your friends close and your enemies closer.
    Kenne deinen Feind (deine Ängste, Probleme, usw.).
    Der Teufel ist im Detail - daher sehe ich ihn gern als meinen Freund.

    Das kann ich alles gern vertiefen (vor allem verständlicher und konkreter - und themenbezogen), aber es ist schon spät. Es kann nur einige Tage dauern, bis ich die Zeit finde, mich zurück zu melden. Ab Mittwoch muss ich zudem wieder arbeiten und kann erst wieder am Wochenende schreiben.
    Danke, dass ich an der Runde teilnehmen darf.

    Ach ja: Deinen Magiestil finde ich sehr interessant. Da kann man spektakuläre, faszinierende und nachdenklich stimmende Szenen mit schreiben. Dadurch bekommt es wirklich einen Hauch von Sci-Fi. Gefällt mir. Sehr schönes Beispiel übrigens.

    Wie sieht deine Welt denn im ästethischen Sinne aus? Extrembeispiel:
    Sehen Raumschiffe aus wie Tempel? (SciFi als Fantasy)
    Sind Kleidung und Ausrüstung (auf magische Art) technologisch oder eher klassische Fantasie?

    Wird mit Motoren (vllt ein wenig Steampunk oder so) oder magischer Energie angetrieben?
    Wie genau funktioniert sie eigentlich? (Ich werde mir wohl über übel deine Geschichte in der Romanschmiede ansehen müssen oder was du schon wo stehen hast.) Und ja, mir ist klar, dass dies hierfür nicht der richtige Thread ist. Schreibe mir doch bitte eine PN, wenn du es hier für unpassend hälst.

    Also bis dann.
    Gruß Schattenbrecher


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Strato Incendus Mo Jan 27, 2020 1:55 pm

    In der Romanschmiede steht noch nichts von mir Wink . Das hat teilweise damit zu tun, dass eben viele der Namen und Begriffe momentan noch D&D-basiert sind, also gewissermaßen "Fan-Fiction", und ich Sorge habe, dass es als Urheberrechtsverstoß zählen könnte, wenn ich inhaltliche Zusammenfassungen dieser Geschichte in die Romanschmiede poste, die diese Eigennamen beinhalten.

    An deiner Erklärung mit dem Magier, der seinen Glauben verliert sehe ich auch einige Logikfehler. Im Mindesten fehlen Erklärungen

    Sorry, vielleicht habe ich das nicht klar genug differenziert:

    Der (untote) Magier verliert nicht seinen Glauben (wenn man denn seine Ideologie so nennen möchte).

    Die schrittweise Abwendung des Priesters von seinem Glauben hingegen zieht sich durch alle vier Teile hindurch, weil er immer wieder in Situationen gebracht wird, die mit seinem Glauben in Konflikt stehen. Von der Vorstellung, wie der Kosmos aufgebaut ist, über Ordensbrüder, die sexuelle Straftaten begehen (was ihn den Zölibat hinterfragen lässt), über Sterbehilfe für einen unheilbar Kranken, die Frage nach der Zulässigkeit von Abtreibung nach sexueller Gewalt usw. Nach all diesen Ereignissen möchte er also am Ende vor der finalen Schlacht eigentlich zu seinem Glauben zurückfinden - mit dem Ergebnis, dass diese letzte Erkenntnis seinem bereits geschwächten Glauben dann bloß noch den Rest gibt. Es ist also nichts, was von einem Moment auf den anderen passiert - es ist der Höhepunkt seiner Charakterentwicklung. Und gleichzeitig auch der Breaking Point, der ja typischerweise vor dem Höhepunkt der Handlung erfolgen soll. Damit die Guten "am schwächsten" sind und der Bösewicht "am stärksten" ist, wenn es zur finalen Konfrontation kommt. Wink

    Aber Mann, bist du pessimistisch.

    Ich denke, meine Geschichte ist in dieser Hinsicht lediglich ein Produkt ihrer Zeit. Wink Guckt euch die großen Hollywood-Franchises an: Von den 70ern bis 90ern wurden weitaus mehr "inspirierende, aufbauende" Geschichten erzählt. Die letzten ihrer Art wären hier wohl die Verfilmungen vom Herrn der Ringe und Harry Potter Anfang 2000. Danach, in Die Tribute von Panem, gab es bereits das Element, dass die "gute" Revolution ihre Kinder frisst, und man durch Stürzen des Tyrannen ggf. den Teufel mit dem Belzebub austreibt. Game of Thrones schließlich war dann das erste Massenphänomen einer "dreckigen, zynischen" Geschichte, wo es kein Gut und Böse mehr gibt, nur noch politische Interessen, und die Methoden, die Menschen verfolgen, um sie zu erreichen. House of Cards haut in die gleiche Kerbe.

    Im vergangenen Jahrzehnt wurden auch viele der alten Franchises wieder ausgegraben, um "einen Haufen auf sie zu machen" und das hoffnungsvolle Ende, mit dem man Akte X, Star Wars, Star Trek: The Next Generation etc. einst beschlossen hat, mit modernem Zynismus wieder "kaputtzureden".

    Spoiler zu allen oben genannten Serien:

    Die Avengers sind wohl die größte nennenswerte Ausnahme, was "inspirierende" Heldengeschichten angeht. Gleichzeitig sind die Plots aber eben auch deutlich simpler im Vergleich zu bspw. Game of Thrones. Das "Dreckige" wirkt heutzutage realistischer als das Hoffnungsvolle. Und weil du Depressionen erwähnt hast: Eine unserer Dozentinnen von der Uniklinik meinte einmal in einer Vorlesung, Depressive sehen nicht schwarz - sie sehen nur weniger "rosarot".  Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? 3402984712

    Es scheint durchaus plausibel, dass wir einen evolutionsdienlichen Mechanismus haben, die Welt positiver zu sehen, als sie eigentlich ist - denn alle, die diesen Mechanismus nicht hatten, und schon vor Jahrtausenden auf die Idee gekommen sind, die Welt sei nicht so toll, haben sich nicht fortgepflanzt, oder sich gleich aktiv selbst aus dem Genpool gezogen.

    Dieser Mechanismus kann verschiedene Formen annehmen - konservative Kritiker des modernen Entertainments etwa führen deshalb gerne den augenscheinlich verbreiteten Nihilismus in Hollywood-Geschichten auf die Säkularisierung und die allgemeine Abkehr der Menschen in westlichen Ländern von der Religion zurück. Und stellen dies natürlich als etwas Schlechtes dar.

    Ich denke, hier zeigt sich lediglich wieder einmal die Binsenweisheit "Ignorance is bliss": Je mehr Fakten man entdeckt, desto weniger Platz bleibt für Wunschdenken. Wohin die Wissenschaft einmal getreten ist, da ist kein Platz mehr für Religion. Die füllt ja nach wie vor hauptsächlich die Lücken, die man sich nicht anders erklären kann.

    Interessanterweise stammt der provokante Satz "Facts don't care about your feelings" ja aus konservativen Kreisen (Ben Shapiro), aber ein Großteil derselben Menschen wundert sich dann, dass andere dieselbe Logik auf die Religion anwenden.

    Sobald man das tut, legt die Evolution Schlüsse nahe wie

    • Wir existieren nicht, weil irgendein Gott das wollte, sondern weil unsere Vorfahren das wollten.
    • Dadurch, dass all unsere Vorfahren sich fortpflanzen wollten und es auch geschafft haben, wollen wir das auch. Wir haben einen Instinkt, der uns dazu antreibt, und können den höchstens rational übersteuern, aber nicht abstellen.
    • Aufgrund der höheren Gefährlichkeit der Welt in früheren Zeiten (und höherer Sterblichkeit) sind unsere Instinkte ausgelegt auf "Gutes sofort, Schlechtes später". Belohnungsaufschub nein, Prokrastination ja. Wir machen uns mehr Sorgen über die uns persönlich unmittelbar betreffenden Probleme, anstatt das große Ganze zu hinterfragen. Dabei suchen wir für Probleme tendenziell die schnellste und einfachste Lösung (Ockhams Rasiermesser). Was dann auch mit ein Grund ist, warum Menschen den einfachen Antworten von Populisten anheimfallen.


    Hier ein sehr interessantes Video zu dem Thema von Jordan Peterson - nicht unbedingt, was man erwartet, wenn der Titel nur fragt, warum man sich aufregt, wenn der eigene Computer abstürzt. Ich hatte dieses Video schon ewig auf meiner "Später ansehen"-Liste, hab's dann gestern mal endlich geguckt, und es passte überraschend erstaunlich gut zum Thema:



    Er erwähnt auch den Punkt, den du ansprichst: Das große Ganze zu hinterfragen sei typisch für Depressive. Wink

    Gleichzeitig jedoch erkennt er die reale Gefahr an: In seinem Fall lag der Computerabsturz an einem großflächigen Stromausfall, verursacht durch einen Sonnenwind. Und er spricht an, wie viel Verwüstung ein weiterer Treffer von einem Sonnenwind im heutigen digitalen Zeitalter verursachen würde. Dann jedoch wischt er den Gedanken beiseite und sagt bloß "that's another thing you could worry about, if you're inclined to worry about such things."

    Man könnte auch umgekehrt mit Schrecken fragen, warum sich kaum jemand Gedanken darüber macht. Die Antwort können wir jedoch am analogen Beispiel des Klimawandels ablesen: Weil das Problem für den einzelnen nicht unmittelbar genug ist, nicht greifbar. Stattdessen machen wir uns Gedanken darüber, wie wir die Welt möglichst noch mehr digitalisieren können. Wie wir diese über-digitale Welt dann gegen den solaren Supergau wappnen, das überlegt sich niemand - bis es dann irgendwann einmal zu spät ist.

    Und über die Sonne kommen wir somit also wieder zurück zum kosmischen Ursprungsthema: Die Menschheit muss langfristig weg von ihrem Planeten. Wink

    Der immer wieder auch von Astronomen wie Harald Lesch geäußert ökologische Appell, unseren blauen Planeten zu bewahren, denn wir haben nur ihn, mag ebenfalls als kurzfristiges Werkzeug zur Bekämpfung des Klimawandels dienen. Langfristig jedoch ist er keine Antwort auf oben beschriebenes Problem. Es mag bereits genug Gefahren für Menschheit innerhalb der irdischen Biosphäre geben, und womöglich bekommen wir es auch sehr gut hin, uns einfach selbst unfreiwillig zu zerstören - mit den weitaus populäreren Schreckensszenarien des Atomkrieges, oder eben des Klimawandels. Aber das, was da draußen im Kosmos lauert und bis zu unserer Haustüre kommen kann - und nein, da rede ich weder von schwarzen Löchern noch von Aliens ;P - sagt zum menschengemachten Klimawandel "hold my beer".  Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? 2930562006

    Den letzten größeren Solar Flare etwa gab es irgendwann im frühen Mittelalter. Damals kein Problem, weil es ja noch keine elektrischen Geräte gab. War vermutlich lediglich ein nettes Nordlichter-Spiel, das man auch im Süden noch beobachten konnte. Würde das hingegen jetzt passieren, würde das nicht nur Smartphones und PCs betreffen, du bekämst auch keinen Sprit mehr an der Tanke. Der Laster, der deinen Supermarkt beliefert, also auch nicht. Und jetzt spinn das Szenario mal weiter... Wink

    Auch ein Gammastrahlenausbruch hat uns erst kürzlich getroffen, am 27.12.2004. Wusste ich bis vor kurzem noch gar nicht. Was ich aber noch weiß, ist, dass einen Tag vorher Sri Lanka und andere südostasiatische Länder von einem Tsunami getroffen wurden und alle ihre Augen dort hatten. Gutes Beispiel dafür, wie kurzfristige Probleme die Aufmerksamkeit von den langfristigen fortlenken.

    Und dann wäre da natürlich noch Apophis, und andere Asteroidenkollegen, die regelmäßig der Erde bedenklich nahe kommen, und alle paar Jahrzehnte werden neue Vorhersagen über diese Kumpel gemacht. Ich sehe schon eine Greta Thunberg 2.0 in 100 Jahren auf einer UN-Bühne stehen, wenn wir den Klimawandel womöglich sogar überwunden haben, aber dafür fragt die Kleine dann, warum wir nicht schon viel früher angefangen hätten, uns über ein reliables System zur Meteoritenabwehr Gedanken zu machen.

    Also ja: Sonnenwinde, Gammablitze, Meteoriteneinschläge etc., solche Dinge passieren, und zwar keineswegs nur in Abständen von hundertausend oder Millionen von Jahren, sondern von Jahrtausenden oder auch Jahrhunderten. Ein Jahrhundert klingt immer noch nach viel, doch wenn man es sich übersetzt in "während der Zeitspanne eines Menschenlebens", wird es schon unmittelbarer.

    Wir denken halt gerne, dass es nicht während unseres Lebens passieren wird. Und auch nicht während des Lebens unserer Kinder und Enkel. Aber irgendeine Generation erwischt es zwangsläufig, und den letzten beißen die Hunde.

    Macht es das also besser, wenn es dann irgendeine spätere Generation trifft, die bloß uns persönlich nicht mehr die Schuld geben kann, dass wir sie in die Welt gesetzt haben? Wink

    Und solange uns persönlich niemand die Schuld gibt, ist es uns (bzw. unseren Instinkten) nicht unangenehm, also kein Problem? scratch



    Selbst, wenn ein Generationenraumschiff gebaut werden kann, wird der Großteil der Menschheit natürlich immer noch auf der (langfristig dem Untergang geweihten) Erde zurückbleiben.

    Wer es dann an Bord dieses Schiffs schafft, ist die Frage. Vielleicht liegt es wie so oft am Geld - allerdings ist das, sobald man erstmal alleine im All unterwegs ist, natürlich nicht mehr viel wert. Frag bloß mal Cal aus "Titanic", der sich auf dem sinkenden Schiff einen Platz auf einem Rettungsboot zu erkaufen versucht. Vielleicht werden auch genetische Fitness, Alter und Geschlecht die ausschlaggebenden Kriterien, wie oben besprochen - dann hätte man zumindest diejenigen ausgewählt, die die höchste Chance hätten, die Menschheit fortzuführen. Hin wie her: Nett wird dieser Auswahlprozess garantiert nicht.

    Glaubt man der Prämisse von Star Trek: Picard...

    Spoiler:

    Und selbst die doch insgesamt eher humoristische Star Trek-Hommage "The Orville" thematisiert in einer Folge einen Planeten, der kurz davor steht, von seinem roten Riesen verbrannt zu werden, sodass am Ende eine solche Auswahl getroffen werden muss. Rolling Eyes Die haben es also quasi bis "ganz zum Ende" geschafft: Klimawandel, Meteoriten, Sonnenwinde, Gammablitze, alle "großen Filter" überwunden. Ohne ihre irdischen Retter wäre trotzdem Sense gewesen. Und für viele in dieser Episode war es das immer noch.


    EDIT: Der Mitleser, der hier Beiträge negativ bewertet, aber sich nicht traut, einen eigenen Beitrag als Gegenargument zu formulieren, ist also offenbar immer noch hier unterwegs. Razz


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Strato Incendus Mo Feb 03, 2020 2:48 pm

    Hier eine nette Simulation zum Szenario "Wenn die Sonne ein roter Riese ist" - mit dem von mir bereits in einem anderen Thread angepriesenen Simulator-Spiel "Universe Sandbox 2". Und Anton Petrov ist auch jemand, der damit umgehen kann, statt wie viele andere bloß aus Spaß mit schwarzen Löchern um sich zu werfen:



    Schätzungen besagen allerdings, dass wir nicht etwa 5 Mrd. Jahre haben, bis Leben auf der Erde unmöglich wird (die Sonne hat noch 5 Mrd. Jahre, wir nicht), sondern nur 1,5 Mrd. Jahre. Bereits zu dem Zeitpunkt wird es nämlich schon heiß genug auf der Erde sein, um alles Wasser zu verdampfen.

    Ist zwar immer noch viel Zeit, aber immerhin nur noch weniger als ein Viertel dessen, was man landläufig glaubt zur Verfügung zu haben, wenn man immer wieder von den 5 Mrd. Jahren hört, die die Sonne noch hat.

    Die Simulation bezieht sich auf die Zeit in 5 Mrd. Jahren. Da ist es selbst auf vielen Monden der äußeren Planeten bereits zu heiß - oder aber sie sind so weit draußen, dass sie immer noch zu kalt sind.

    Der beste Kandidat ist wohl weiterhin der Saturnmond Titan. Die Idee, "Wolkenstädte" à la Bespin (oder das real von der NASA für die Venus-Atmosphäre geplante HAVOC) auf Saturn zu bauen, nur weil dort "angenehme" 30 Grad herrschen, kann man wohl verwerfen.

    Wir bräuchten im Prinzip einen Planeten zwischen Saturn und Uranus mit Atmosphäre und Magnetfeld - oder zumindest einen Mond mit diesen Bedingungen um einen anderen Planeten. Wenn es den nicht gibt (wir also da nicht noch zufällig einen finden), muss man ganz aus dem Sonnensystem raus. Muss man über kurz oder lang natürlich sowieso, aber man hätte auf einem solchen Planeten zwischen Saturn und Uranus immerhin nochmal 1 Mrd. Jahre, um eine Lösung dafür zu finden.

    Vielleicht macht diese Simulation die "Gefahr" ein wenig anschaulicher. Wink


    Zuletzt von Strato Incendus am Do März 05, 2020 3:38 pm bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet


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    Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? Empty Re: Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum?

    Beitrag von Strato Incendus Mi Feb 05, 2020 1:59 pm

    Bevor hier die Diskussion wegen eines zu starken pessimistischen / antinatalistischen Fokus meinerseits zum Erliegen kommt, würde ich den Thread gerne wieder zur Ausgangsfrage zurückführen:

    Nämlich zu der Überlegung, wie totalitär die Bedingungen auf einem Generationenraumschiff werden könnten und vor allem warum. Wink Da die Prämisse ja ist, dass die "Diktatur" vor allem von den harten Umgebungsbedingungen erzeugt wird, weniger vom "bösen Willen" einzelner Personen oder einer Führungsriege, würde gelten: "So viel Diktatur wie nötig, so wenig wie möglich." Und mit "nötig" meine ich: So viel, wie man braucht, damit das System (sozial und technisch) stabil bleibt.

    Das wirft einige interessante Fragen auf:

    Wie sorgt man am besten für möglichst viel genetische Vielfalt?
    Die Vermeidung von Inzest an Bord wäre bei so geringer Besatzungsgröße (mindestens 49 Paare, d.h. 98 Personen) sicherlich eine der höchsten Prioritäten. Zum Vergleich, Island hat ca. 300.000 Einwohner, und selbst dort gibt es bereits eine App, die einem hilft, zu überprüfen, wie weit man mit einer vermeintlich fremden Person, der man begegnet, verwandt sein könnte. In Island mag das noch so halb als Witz gedacht sein, auf einem Generationenraumschiff hingegen wäre es durchaus ernst.

    Ist die Lösung dafür nun also strikte Monogamie? 49 Paare, jedes davon bekommt zwei Kinder, sodass die Besatzungsstärke konstant bleibt. In den folgenden Generationen wäre es natürlich schwierig, zu kontrollieren, ob das Geschlechterverhältnis exakt 1:1 bleibt, wie man sich das auf solchen "Archen" immer gerne vorstellt.

    Läuft dann alles nur noch über künstliche Befruchtung, wie bei Brave New World, sodass das Geschlecht händisch abgezählt festgelegt werden kann? Wenn ja, warum nur das, und nicht auch lauter andere Eigenschaften? Also der komplette Übergang zum "Designer-Baby", was ja auch bei Brave New World der Fall ist.

    Wenn es keine Möglichkeit gibt, das Geschlecht mit künstlichen Methoden festzulegen, wird dann in den natürlichen Prozess "eingegriffen"? Männliche Spermien sind ja tendenziell etwas schneller als weibliche, leben dafür kürzer, d.h. wenn Sex ein paar Tage vor dem Eisprung stattfindet, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es ein Mädchen wird, wenn es dagegen zum Zeitpunkt des Eisprungs oder kurz danach ist, würde es eher ein Junge. Natürlich sind das nur Wahrscheinlichkeiten, aber wenn das Geschlechterverhältnis an Bord essenziell ist, könnte es durchaus sein, dass da ein "Zeitplan" vorgegeben wird, wer wann "ran muss"... Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? 3434132744

    Ein 1:1-Geschlechterverhältnis wäre nicht nur aus Sicht einer konstanten Besatzungsstärke zu rechtfertigen, sondern auch mit der sozialen Stabilität an Bord: Sobald es mehr Männer als Frauen oder mehr Frauen als Männer gibt, gehen einige zwangsläufig leer aus. Hier kommt wieder die evolutionäre Asymmetrie ins Spiel, dass ein Mann zwar mehrere Frauen parallel schwängern kann, aber bei zwei Männern und einer Frau trotzdem nur einer seine Gene weitergibt. Sogesehen wäre das Szenario "mehr Männer als Frauen an Bord" gefährlicher als das umgekehrte (was wieder mit ein Grund wäre, warum die Männer an Bord entbehrlicher wären, damit also eher für gefährliche Missionen aller Art herangezogen würden.)

    Oder ist alternativ - ebenfalls wie bei Brave New World - Polygamie die Lösung? Dazu hatten wir ja auch schon einmal eine sehr interessante Diskussion, allerdings im Fantasy-Setting. Very Happy

    Bei Brave New World dient die Polygamie ja mehr dazu, dass sich keine zwei Menschen langfristig aneinander binden sollen - natürliche Zeugung findet dort ja eh nicht mehr Stadt, und "Mutter" und "Vater" sind abwertende Begriffe.

    Wenn hingegen natürliche Zeugung erwünscht ist, dann wäre die Frage, ob Polygamie zu höherer genetischer Vielfalt an Bord führt, oder eher dazu, dass irgendwann jeder mit jedem verwandt ist, sodass die Inzestgefahr (und damit die für erbliche Krankheiten) steigt.

    In der Diskussion über polygame Kulturen kam auch bereits die Frage auf, wer die Kinder erzieht.
    Ist die Gruppe klein genug, dass dies vom "gesamten Stamm" übernommen werden kann, sodass die Frage, wer der leibliche Vater und die leibliche Mutter sind, vernachlässigbar wird?
    Oder ist der Stamm bzw. die Besatzung so groß, dass man die "nukleare Familie" als "Baustein" dieser Gesellschaft benötigt? In letzterem Fall wäre die Paarbindung deutlich relevanter, was eher nahelegen würde, dass Polygamie an Bord verboten wäre, da die Bindungsfähigkeit mit der Anzahl der Partner abnimmt. Da fällt dann auch das Stichwort Oxytocin, was eine weitere Begründung wäre, warum es vielleicht trotz allen technischen Fortschrittes an Bord eines Generationenraumschiffs gewünscht wäre, dass sowohl Zeugung als auch Geburt möglichst weiterhin auf natürlichem Wege stattfinden: Damit sowohl zwischen den Ehepartnern als auch zu den Kindern auch auf physiologischer Ebene eine engere Bindung entsteht.

    Das wäre auch gerade dann wichtig, wenn nicht alle Menschen an Bord in dem Sinne "freiwillig" heiraten und Kinder bekommen, sondern entweder durch die Gesetze oder zumindest den sozialen Druck dazu gedrängt werden. Oxytocin kann prinzipiell aus rein körperlich gedachten Partnerschaften romantische Verbindungen machen, und auch jemanden Kinder liebgewinnen lassen, der sie eigentlich gar nicht haben wollte.



    Die Frage nach der "Durchmischung" an Bord (egal ob mono- oder polygam) bezieht sich auch darauf: Wie sehen die Menschen an Bord eigentlich aus? Very Happy Wurden da bei der Zusammenstellung der Ursprungsbesatzung besonders attraktive Vertreter/innen beider Geschlechter gewählt, um den Fortpflanzungswillen an Bord hochzuhalten (vorausgesetzt, sie bringen die übrigen notwendigen Qualifikationen mit für ein Leben im All, versteht sich)? Very Happy Und wahrscheinlich käme die Besatzung ja nicht nur aus verschiedensten Ländern der Erde, sondern auch noch von anderen Planeten und Monden unseres Sonnensystems, die zu dem Zeitpunkt bereits besiedelt wurden.

    Während ich "Diversity um ihrer selbst willen" im Fantasybereich ja oft etwas albern finde, insbesondere wenn die Geschichte in mitteleuropäischen klimatischen Bedingungen spielt, so scheint sie mir im SciFi-Setting, wo die Planeten an sich meist bereits komplett durchglobalisiert sind, weil man sonst gar nicht auf interplanetarem Level denken können würde, realistischer als alles andere. Gesponnen, zum Zeitpunkt des Starts der Mission wäre immer noch nur die Erde von Menschen besiedelt, oder man würde zumindest die Crew nur aus Erdbewohnern zusammenstellen, so würde man die größte genetische Vielfalt zweifellos erreichen, indem man Leute von allen Kontinenten nimmt. Voraussetzung natürlich, dass die alle fit genug in der dann vorherrschenden Weltsprache sind (vermutlich Englisch), damit sie sich untereinander verständigen können. Wir wollen ja keinen "Turmbau zu Babel" an Bord. Wink

    Man muss also vermeiden, dass es sprachbasierte oder ethnische "Grüppchenbildung" an Bord gibt, denn wenn die Gesamtbesatzung schon verhältnismäßig klein ist und die Menschen nur innerhalb ihrer jeweiligen "Gruppe" heiraten, dann ist nicht nur Inzest vorprogrammiert, sondern die einzelnen "Stämme" an Bord werden auch nicht an einem Strang ziehen. Multiethnisch wird die Ursprungsbesatzung höchstwahrscheinlich sein, "multikulturell" jedoch nicht; man wird sich auf gemeinsame Regeln und Werte einigen müssen, die auf dem Schiff gelten, das ja immerhin noch weniger Leute transportiert als ein kleines Dorf auf der Erde.

    Nach 6300 Jahren wäre dann jedoch vermutlich nicht mehr zu erkennen, wessen Vorfahren ursprünglich aus Europa, Asien oder Afrika stammten. Höchstwahrscheinlich wäre die Besatzung "mestizo", wie man es in Brasilien ja auch tatsächlich bezeichnet (und das ist nicht abwertend gemeint). Und das wäre für die Besiedlung eines neuen Planeten nicht nur genetisch wünschenswert: Brasilien ist das Land mit der statistisch zweithöchsten Sexhäufigkeit (übertroffen nur von Griechenland), und dem Klischee nach eine "Modelschmiede". Very Happy Da kommen also ggf. die attraktivsten Eigenschaften aus unterschiedlichen Teilen der Erde zusammen, ein "best of all worlds", gewissermaßen. All das dürfte dem Projekt Generationenraumschiff prinzipiell erst einmal äußerst zuträglich sein. Very Happy

    Auf der Erde ist Hautfarbe ja vor allem eine Anpassung an die jeweilige Sonneneinstrahlung aus zwei Gründen: a) UV-Schutz und b) die Gewährleistung einer ausreichenden Aufnahme von Vitamin-D. Jetzt könnte man also entweder argumentieren, dass die Besatzung des Generationenraumschiffs mit der Zeit immer blasser wird, weil sie ja ständig "drinnen" sind und unterwegs zwischen zwei Sternen, es also nicht mal in dem Sinne eine "Sonne" gibt, der man durch die Fensterscheibe stärker ausgesetzt wäre als den anderen Sternen. Oder aber, man sagt, solche Anpassungen finden nicht statt, da die Leute das Vitamin-D eh medikamentös ersetzen müssen. (Man entwickelt ja auch keinen Kropf, wenn man genug Jod zu sich nimmt, auch, wenn man nicht am Meer lebt, wo es ständig Fisch gibt.)

    Ja, ich denke, nach 6300 Jahren - das ist immerhin mehr, als wir mit den Jahreszahlen abdecken können, die man so landläufig im Geschichtsunterricht lernt Very Happy - wird die Bevölkerung an Bord ethnisch relativ "homogen" sein. Aber ich würde eben vermuten, dass sie eher "Mestizo" sind als leichenblass. Very Happy Insbesondere, da wir ja aufgrund unserer Veranlagung einen gewissen Teint attraktiver finden als die "vornehme Blässe", die unter Adeligen bevorzugt war. Von daher, wenn ohnehin alle Vitamin-D-Pillen schlucken müssen, hellere Haut also keinen biologischen Vorteil gibt, dürfte sie sich als Merkmal weniger verbreiten, weil sie gemeinhin als weniger sexuell attraktiv angesehen wird.




    Eine Besatzung voller attraktiver, brasilianisch-anmutender Mestizos, eventuell polygam, und es ist gesellschaftlich und gesetzlich gewünscht, dass Zeugung auf natürlichem Wege stattfindet?  Generationenraumschiffe - ein totalitärer Albtraum? 3402984712 Wenn ihr jetzt denkt, dass das eher klingt wie ein Aufhänger für die Handlung eines schlechten Pornos als für die einer ernst gemeinten Science Fiction-Geschichte, könntet ihr Recht haben...


    Vielleicht braucht man also die vorher diskutierten dystopischen Elemente sogar zwingend, damit die Zukunftsvision nicht zu schnell als reine "Wunschvorstellung" wahrgenommen wird, die beim Leser dann die suspension of disbelief kaputtmacht. Very Happy

    Wir bewegen uns mit einem Generationenraumschiff also irgendwo zwischen den Extremen eines interstellaren liberalen Orgien-Paradieses und eines fliegenden, totalitären Eugenik-Brutkastens. Very Happy


    Die Frage, ob das Leben an sich fortgeführt werden sollte, wenn es in anderen Sonnensystemen nur mit dieser Methode Generationenraumschiff möglich ist, wäre dann eher eine Überlegung, die am Ende einer solchen Geschichte aufkommen könnte, falls die Bedingungen auf dem Schiff eben besonders totalitär geworden sein sollten.

    Thomas Jefferson, 3. Präsident der USA und Hauptautor der Unabhängigkeitserklärung, wurde in einem unserer Englisch-Schulbücher zitiert mit dem markigen Satz:

    "I will die a free man before I live like a slave."


    Das Interessante an diesem Szenario finde ich ja: Wer ist es, der die Menschen "versklavt"? Wink Die Gesetze, der soziale Druck - oder bloß unsere eigenen Instinkte?

    Aus den meisten Geschichten kennen wir "tumbe" Diktaturen à la Nordkorea, die ihre Bevölkerung so hart einschränken, dass man weiß, dass diese forcierte Stabilität nicht von ewiger Dauer sein kann. Sobald da "die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch": Die Menschen werden irgendwann unweigerlich zur Revolution tendieren, sich ihres Diktators entledigen, und dann irgendetwas Neues starten in dem Glauben, jetzt werde alles besser. Denn einen Diktator, der sich derart in jede Facette des Lebens einmischt, kann man leicht die alleinige Schuld an allem geben, was in einer Gesellschaft falsch läuft. Dass die Realität nicht so einfach ist, merkt die Bevölkerung dann erst in der "anarchischen" Periode nach dem Sturz des Diktators, wenn die Revolution gerne mal ihre Kinder frisst (Bsp. das "Reign of Terror" nach der französischen Revolution, wo die Guillotine ihre Hochzeit erlebte).

    Der Besatzung eines Schiffes, das von einer so fortschrittlichen Gesellschaft gebaut wurde, werden diese historischen Präzedenzfälle bewusst sein. Also werden sie keine strengen Vorgaben aus Willkür einführen, sondern nur solche, die strikt notwendig sind.

    Das Hauptproblem dabei ist, dass solche Vorgaben von ihrem ursprünglichen Kontext entkoppelt werden können. Am Beispiel "Wann hast du gelernt, dass London die Hauptstadt von England ist?", kann man Menschen immer wieder gut demonstrieren, wie sich semantisches Faktenwissen von episodischen Erinnerungen an Ereignisse lösen. So hat mir bspw. einer meiner Schullehrer (selbst Moslem) damals erklärt, das Verbot von Schweinefleisch im Islam ginge auf eine Schweinepest zurück, die zu Mohammeds Lebzeiten ausgebrochen war. Es war also eine reine Sicherheitsmaßnahme, dieses kategorische Verbot zu implementieren. Aber verbunden mit der Interpretation, Mohammed sei der letzte Prophet und der Koran das final gültige Wort Gottes, ergibt sich dann eben, dass solch ein Verbot bestehen bleibt, länger als das Problem, das es eigentlich zu lösen versuchte.

    Nach 6300 Jahren der Reise könnten an Bord eines Generationenraumschiffs also durchaus einige Regeln existieren, die wie reine Willkür erscheinen und mit "haben wir immer so gemacht" begründet werden - ohne, dass noch jemand weiß, warum diese Regel eigentlich einmal eingeführt wurde.

    Und das wäre bereits ein Beispiel für totalitäre Strukturen, bei der weder jene, die sie eingeführt haben, noch jene, die sie aufrechterhalten, zwangsläufig böse Absichten haben. Wink


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