3. Abschnitt: 4. + 5. Kapitel

Bei aller Erfahrung - die ihr ja auch bereits habt - möchte ich aber trotzdem nicht als der weise Oberguru rüberkommen, der alles besser weiß. Das wäre mir schon sehr wichtig, weil ich unsere Diskussionen (nicht nur die in der Leserunde, sondern generell hier im Forum) immer als absolut gleichberechtigt und symmetrisch empfinde, und es wäre schade, wenn ein anderer Eindruck entstehen würde. Sicherlich bin ich ein sehr analytischer Mensch, der immer versucht, sowohl differenziert als auch strukturiert zu denken und Muster zu entdecken, aber ich hoffe, dass das nicht überheblich wirkt.

Überheblich wirken Deine Beiträge auf mich nicht. Eher angsteinflößend . Solch fundierten Argumenten habe ich mit meiner instinktiven Herangehensweise nichts entgegenzusetzen. Deshalb lese ich in solchen Momenten lieber nur still mit und versuche, aus den Beiträgen etwas für mich mitzunehmen.

Das verstehe ich gut. Zum Glück muss man dem anderen beim gegenseitigen Austausch von Gedanken und Meinungen nicht immer "etwas entgegensetzen", und zum Glück ist ja nicht jedes Anhören der Sichtweise des anderen ein argumentativer Schlagabtausch oder ein Kräftemessen, bei dem es ums Gewinnen oder Verlieren geht. Aber ich kann das Gefühl gut verstehen (und habe es selbst auch schon oft empfunden), dass man bei einer Sache, die ein anderer bereits intensiv selbst durchdacht hat, lediglich noch mit dem Kopf nicken und sagen kann: "Tja, das klingt vernünftig, nichts gegen einzuwenden" und ansonsten gar nichts mehr groß dazu zu sagen weiß. Das ist sicherlich manchmal schwierig.

Ich wollte dir auf keinen Fall das Gefühl geben, dass du überheblich wirkst, denn dem ist ganz und gar nicht so!
Ich habe allerdings deutlich weniger Erfahrung und mir über viele Aspekte noch keine oder nur wenige Gedanken gemacht. Daher finde ich diese Leserunde auch wirklich hilfreich!
Nur fängt man dann natürlich an, an seine eigenen Geschichten zu denken. Hab ich das auch so gemacht? Fehlt dieser Aspekt vielleicht bei mir? Sollte ich das ncoh einbauen, damit der Charakter realistisch erscheint? Und oft genug merke ich, dass ich da doch noch einige Schwierigkeiten habe. Das meinte ich mit "an meinem Projekt zweifeln". Auf keinen Fall gibst du mir das Gefühl, dir unterstellt zu sein oder dergleichen!

Alles gut, so kam es auch nicht bei mir an! Solche Gedanken und Zweifel bezüglich der eigenen Geschichten kenne ich nur zu gut. Wie gesagt, als ich damals das erste Mal etwas von Prämissen und Konflikten in Geschichten gehört habe, hat das bei mir eine ziemlich lang anhaltende Phase der kritischen Selbstreflektion eingeleitet, und ich war plötzlich mit der Art, wie ich vorher geschrieben hatte, überhaupt nicht mehr zufrieden. Meine Geschichten kamen mir mit einem Mal irgendwie ein bisschen arg weichgespült vor, mit zuviel überflüssigem Gelaber, das nicht wirklich Substanz hatte. Mag sein, dass ich damals eine Zeitlang ZU kritisch mir selbst gegenüber war, aber ich denke, diese Phase des Infragestellens im Lichte meines neuen Wissens war notwendig, um mich zu motivieren, viel stärker als bisher auf diese neuen Dinge bei der Konzeption und beim Schreiben der einzelnen Szenen zu achten. Von daher kann ich dich und Sue gut verstehen.

Oberguru? Haha!
Keine Angst, Susanne, ich empfinde dich ebenfalls nicht als Priesterin in der Kanzel oben oder dergleichen.

Wie Gotthelf jetzt so schön sagen würde: Praise the sun!