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    Wanja und Sira

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    Wanja und Sira - Seite 2 Empty Re: Wanja und Sira

    Beitrag von Sue Fr Aug 31, 2018 12:28 am

    Sira stutzte und lachte dann laut los. Wanja hatte ihr gerade nachgesprochen! Milan ist ein Miesmann, hatte er gesagt, obwohl er nicht einmal wusste, was es bedeutete. Oder doch? Nein, bestimmt nicht. Er kannte Milan ja nicht einmal.
    Ob Wanja ihr auch etwas anderes nachsprechen würde?
    "Ziegenpo!" Die letzte Silbe verschwamm zu einem lauten Prusten, und eine Träne lief Siras Wange herunter, so sehr musste sie lachen.
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    Beitrag von marismeno Fr Aug 31, 2018 10:35 am

    Siras hemmungsloses Gelächter ließ Wanja zunächst stutzen. Doch dann erinnerte er sich selber daran, dass sie schließlich noch ein Kind war. Ihr Lachen war spontan und ungekünstelt und hatte ihn bestimmt nicht beleidigen sollen. Außerdem war es so viel besser als das starre Entsetzen, welches sie am Abend erfüllt hatte. Er grinste gutmütig, als sie - halb erstickt vor Lachen - wieder ein Wort in ihrer eigenen Sprache hervorstieß. Vermutlich war es irgend ein Unsinn, den sie ihn sagen hören wollte.

    Er tat ihr den Gefallen, nachzusprechen, was er aus ihrem Gepruste herausgehört hatte, und wurde durch einen neuen Lachanfall belohnt. Lächelnd sah er zu, wie sich sich krümmte, sogar ein wenig taumelte, während sie sich mit beiden Armen den Bauch hielt.

    Doch dann nannte er sanft ihren Namen, um sie nicht zu erschrecken, aber doch ihre Aufmerksamkeit zu wecken. Trotzdem wurde ihr Blick ein wenig ängstlich. Befürchtete sie seinen Tadel, vielleicht sogar Zorn? Er versuchte, ihr durch seinen Gesichtsausdruck und seine Haltung zu zeigen, dass er nichts davon beabsichtigte. Stattdessen winkte er sie näher. Er hob die Wasserflasche und ließ vor ihren Augen ein wenig Flüssigkeit herausträufeln. "Wasser" sagte er möglichst deutlich in der klysantrischen Sprache, und noch einmal "Wasser". Dann holte er das letzte Stück Brot aus seiner Tasche und hielt es hoch. "Brot".
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    Wanja und Sira - Seite 2 Empty Re: Wanja und Sira

    Beitrag von Sue Sa Sep 01, 2018 1:09 pm

    Es hatte wirklich funktioniert! Wanja hatte Ziegenpo gesagt - das war zu komisch! Sira kringelte sich vor Lachen.

    Dann aber sprach er sie mit ihrem Namen an. Sie hielt inne, ohne jedoch näher zu kommen. Was wollte er?
    Aha, sie sollte die Worte einer fremden Sprache lernen. Aber welche war es überhaupt? Die Klänge ähnelten dem, was sie hier auf den Straßen dauernd hörte. Wanja wollte ihr also helfen, hier zurechtzukommen? Natürlich, er wusste ja nicht, dass sie Milan hatte, der mit ihr reiste und alle Sprachen kannte. 
    Trotzdem, die Idee war nicht schlecht. Milan würde staunen, wenn er zurückkam, und sie die hiesige Sprache sprechen konnte.
    "Brud", sprach sie Wanja eifrig nach. Das andere Wort wusste sie vor lauter Nachdenken nicht mehr, also zeigte sie nochmal auf die Flasche und hob die Schultern.
    Ach, wie praktisch, wenn sie die Sprache hier erst konnte! Dann konnte sie den unfreundlichen Wachen sagen, dass sie sie gefälligst wieder in die Stadt lassen sollten, und sie würden sich entschuldigen. Sie grinste bei diesem Gedanken.
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    Beitrag von marismeno Mo Sep 10, 2018 4:15 pm

    "Brot", wiederholte Wanja deutlich und drückte Sira das Stück in die Hand. Dann hielt er ihr die Flasche hin und sagte auch noch einmal "Wasser".

    Ach, halt, das war ja irreführend! Musste sie nicht glauben, dass er mit dem Wort die Flasche bezeichnen wollte? Er ging die wenigen Schritte zum Rinnsal, kauerte sich nieder und tauchte seine Hand hinein. "Wasser" wiederholte er. Auffordernd zeigte er dann auf Sira, damit sie ihm nachsprach. Es war wichtig für sie, konnte überlebenswichtig sein, dass sie wenigstens einige Worte sprechen und verstehen konnte. Er musste sie so viele wie möglich lehren.

    Er lachte leise. Als wäre er der richtige Lehrer für das Kind! Eine kleines dunkelhäutiges Mädchen von irgendwoher würde dann das Klysantrische mit einem amudarischen Akzent sprechen. Besser immerhin, als wenn sie es gar nicht sprach. Aber noch besser wäre es, wenn ein Einheimischer sich der Kleinen annähme.

    Wanja hatte während seiner Reisen schon so manche fremde Sprache erlernen müssen und hatte deshalb Erfahrung darin, welche Worte die wichtigsten waren, welche man als Fremder dringender kennen, und welche man häufiger gebrauchen musste. Jetzt, da Sira begriffen hatte, was er von ihr wollte, konnte er ihr schnell ein Dutzend Begriffe und Redewendungen beibringen, während er sein Pferd sattelte und das Gepäck auflud: einen Gruß, einen Dank, 'Ich bin hier fremd und spreche eure Sprache nicht', Hilfe, ja, nein, bitte, Hunger, Durst, ... sie war so eifrig, dass er sich selber zügeln musste. Wenn er das Kind überforderte, würde es die Lektion schneller wieder vergessen, als er sie ihm vermitteln konnte. Um ihr zu verdeutlichen, was er meinte, musste er manches umständlich vorspielen, was sie dann jedesmal zum Lachen brachte.
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    Beitrag von Sue Di Sep 25, 2018 4:46 pm

    Sira befragte Wanja nach allem Möglichen, was sie bei sich hatten. Bald kannte sie die Worte für Pferd, Sattel, Gepäck, ... Irgendwann bemerkte sie, dass er alles zusammengepackt hatte. Er wollte also aufbrechen?
    Sie hörte auf, ihn mit Fragen zu löchern, und streute staubige Erde über die Feuerstelle, wie sie es schon vor langer Zeit gelernt hatte.
    "Stadt", sprach sie ihm nach und deutete in Richtung der gewaltigen Mauern, die weiter hinten deutlich zu sehen waren.
    Als er sein Pferd am Zügel nahm und ihr winkte, ihm zu folgen, ging sie ihm nach und sprach dabei immer wieder die Wörter und Sätze vor sich hin, die Wanja ihr beigebracht hatte. Anfangs hatten sie alle gleich geklungen, und er hatte sie öfter verbessern müssen, wenn sie etwas durcheinanderbrachte. Aber rasch wurde es besser. Milan würde stolz auf sie sein! Wenn er sie abholte, würde sie ihn in der neuen Sprache begrüßen!
    Sira erfreute sich an dem schönen Wetter. Milan hatte ihr einmal Geschichten von Ländern erzählt, wo es so kalt war, dass einem die Zehen abfielen, wenn man keine Schuhe trug. Aber entweder er hatte gelogen, oder sie waren noch sehr weit entfernt von diesen Ländern, und das, obwohl sie wochenlang gegangen waren.
    Sie betrachtete ihren neuen Begleiter und das Pferd von schräg hinten. Die Stute strahlte Gemütlichkeit aus und roch gut. Sira hatte eine Idee. Sie lief zu Wanja und tat, als wolle sie mit der Hand nach dem Zügel greifen. "Pferd bitte?", fragte sie. Ob er sie verstanden hatte?
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    Beitrag von marismeno Do Okt 04, 2018 2:36 pm

    Überrascht hielt Wanja Siras Hand fest. Er wusste nicht, zu welchem Zweck sie ihm die Zügel abnehmen wollte, aber niemand außer ihm selber durfte seinen Hengst anrühren. Auch nicht ein kleines Mädchen, das erstmals einen Wunsch in einer ihm fremden Sprache ausgesprochen hatte und eigentlich dafür Anerkennung verdiente.

    "Bitte, nein", sagte er entschuldigend. Er suchte nach einer möglichst einfachen Erklärung. "Pferd Freund mein. Verstehen?"

    Ihr Gesicht zeigte Enttäuschung. Offensichtlich hatte sie ihn verstanden. Sie war wirklich ein gescheites kleines Geschöpf! Wenn er ihr das nur sagen könnte, zum Trost.
    "Sira ... " er überlegte angestrengt. "Sira Freund Pferd?" Das kleine dunkle Gesicht unter dem schwarzen Haarknoten hellte sich auf. "Sira Sattel?" Zum Verdeutlichen legte er erst seine Rechte auf die Sitzfläche des Sattels, dann deutete er mit beiden Händen eine hoch hebende Bewegung an.
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    Beitrag von Sue Mo Okt 15, 2018 11:17 pm

    Offenbar wollte Wanja sie das Pferd nicht führen lassen. Das hatte sie nicht erwartet. Sie wollte es ja nicht stehlen!
    Aber er zeigte sich weiter freundlich, daher vermutete sie eine andere Ursache, auch wenn sie seine Erklärung nicht verstanden hatte. Sie hatte nicht richtig aufgepasst, was er gesagt hatte, wollte aber auch nicht nachhaken.
    Doch kurz darauf sprach er sie wieder an. Sira Freund Pferd? Ah, das bedeutete, ob sie das Tier mochte. Natürlich mochte sie es! Esel und Pferde besaßen bei ihr daheim nur die reichen Massals, und zwar kleine Tiere, die sie vor ihre Karren spannten, um die Lasten zu ziehen, und sich manchmal auch von ihnen tragen ließen. Sira hatte sie heimlich gestreichelt, wann immer sie die Gelegenheit bekam, meist auf dem Markt.
    In den letzten Wochen aber, auf ihrer Reise mit Milan, hatte sie zum ersten Mal so riesige Pferde gesehen, und dann noch mit Männern darauf. Dass die Pferde trotz ihrer Größe freundliche Tiere waren, hatte sie gleich gewusst. Manche davon hatten allerdings nervös oder sogar ängstlich gewirkt. Milan hatte dazu nur gesagt: Die einen befehlen, die anderen müssen gehorchen. Das hatte er überhaupt sehr oft gesagt. Auf die Frage, was er damit meine, hatte er stets die abgewinkt. Das wirst du noch früh genug lernen.
    Wanja und seine Stute wirkten jedenfalls nicht wie Herr und Diener, sondern wie Freunde. Das Tier gehorchte ihm freiwillig, wie ein braver Hund. "Pferd Freund Wanja", fasste sie ihre Überlegungen zusammen, und fügte hinzu: "Ja Pferd Freund Sira."
    Sira Sattel?, fragte er sie, und sie verstand: Wanja wollte sie auf das Pferd heben! Ein warmes Gefühl schoss durch ihren Bauch - doch sie hatte auch ein bisschen Angst, so weit oben zu sitzen, und zögerte. Aber da kam ihr der Gedanke, dass Milan sie dort oben sehen könnte. Wäre das nicht lustig?
    "Ja Sattal." Das warme Gefühl gewann nun wieder die Oberhand, und Sira lächelte Wanja an. Dann blickte sie hinauf zum hohen Rücken des Pferdes, zum Zeichen, dass sie bereit war.
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    Beitrag von marismeno Mo Okt 22, 2018 7:34 am

    "Na, dann ...!" Sattal klang niedlich! Wanja grinste über Siras Eifer. Er fasste sie um ihre dünne Taille und hob sie mit einem Schwung auf sein Pferd. Das Mädchen erstarrte unter seinen Händen, doch da saß sie auch schon oben und sah mit großen Augen auf ihn herab. Er gab den Blick prüfend zurück.
    "Gut?"
    Sie klammerte sich mit beiden Händen am Vorderzwiesel des Sattels fest und antwortete nicht. Ganz offensichtlich saß sie zum ersten Mal in ihrem Leben auf einem Pferd. Und von oben sah ein Pferd viel höher aus, als von unten. Erst ganz langsam entspannten sich ihre Gesichtszüge, bis sich ein seeliges Lächeln darauf ausbreitete, das schließlich zu einem Strahlen wurde.
    Der Hengst trat einen halben Schritt zur Seite, und diese Bewegung beunruhigte das Kind erneut. Doch schon hatte sie sich wieder gefangen, und nun ging ein wahrer Redeschwall auf Wanja nieder. Was auch immer sie ihm da in ihrer eigenen Sprache erzählte, musste ihr direkt aus dem Herzen kommen. Es klang aufgeregt und froh. Angst schien sie keine mehr zu haben, deshalb führte Wanja sein Pferd langsam weiter auf der Straße. Mit einem Auge behielt er die Kleine im Blick. Sie gab sich ganz den wiegenden Bewegungen des Pferderückens hin und sah aus, als befinde sie sich in ihrem persönlichen Paradies.

    Ohnehin waren sie schon fast am Tor angekommen. Doch wegen der frühen Stunde staute sich dort noch nicht wieder eine Menschenmenge. Sie würden nicht lange warten müssen.
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    Beitrag von Sue Mi Okt 31, 2018 3:47 am

    (Ah, du hast nochmal überarbeitet und auch schon ziemlich viel über Siras Verhalten geschrieben. Ich denke, so ähnlich hätte ich mir das auch vorgestellt, nur vielleicht mit weniger Geplapper. Dann also weiter am Stadttor!)

    Sira saß so hoch, dass sie einen tollen Überblick über den Stadtvorplatz und alle Leute hatte, die sich dort herumtrieben. Ein paar schienen Bauern zu sein, die Eier und Früchte zum Verkauf in die Stadt brachten. Andere hatten nichts bei sich und schienen zum Kaufen gekommen zu sein. Sogar zwei oder drei andere Reiter waren unterwegs, allerdings hatte keiner von ihnen so ein großes Reittier wie sie. Die anderen Pferde hatten kompakte, elegante Körper, fein geschnittene Gesichter mit schmalen Schnauzen, und tänzelten auf der Stelle, sobald es einmal nicht weiterging. Wanjas Stute dagegen war größer und wuchtiger und verhielt sich ruhig wie eine Katze zur Mittagszeit.
    Sira genoss den Überblick, den sie von hier oben hatte. Nur über die Stadtmauern konnte sie vom Pferderücken aus nicht sehen.
    Milan war nirgends zu entdecken. Schade, sie hatte gehofft, er würde sie auf dem Pferd sehen. Aber vielleicht kam die Gelegenheit ja noch.

    Rasch ging es am Tor voran, und schon stand Wanja mit ihr vorne. Die Wachen fragten ihn irgendetwas, Sira konnte nicht viel verstehen, aber sie glaubte, den Namen der Stadt herauszuhören, Karsisi oder so ähnlich. Vermutlich wollten sie wissen, was Wanja in der Stadt vor hatte.
    Die Wachen nickten, dann zeigte einer von ihnen auf Sira. Zu dumm, dass sie ihn nicht verstehen konnte! Also winkte sie dem Mann freundlich zu: "Guten Gruß. Fremt ich hier."
    Ob er sie verstanden hatte? Er raunte dem anderen Wächter etwas zu, dann sprach er noch einmal Wanja an, und diesmal klang es nicht mehr so freundlich. Ob sie lieber still hätte sein sollen? Nein, freundlich zu sein half einem meist weiter. Sie lächelte den Wachmännern noch einmal bekräftigend zu und strich dem Tier sanft über den Hals.
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    Beitrag von marismeno Sa Nov 03, 2018 3:54 pm

    Ja, das war zu erwarten gewesen. Die Wachen waren zwar nicht die selben Männer, wie die am Abend, aber trotzdem beäugten sie die dunkelhäutige Kleine misstrauisch. Ob das Kind zu ihm gehöre, fragte einer barsch. Bettler würden in Klysantris nicht geduldet!

    Wanja hatte sich schon am Abend eine Erklärung zurecht gelegt, die er nun den Wachen präsentierte.
    "Das ist meine Dienerin", sagte er gespielt gelangweilt. "Ich habe sie gestern erst gekauft, und jetzt ist die kleine Kröte schon fußlahm."

    "Da habt Ihr kein gutes Geschäft gemacht. Aber das, wofür man so ein Mädchen kauft, verlangt ja andererseits keine langen Märsche."

    Die Wachen lachten dreckig über den Witz ihres Kameraden. Auch Wanja lächelte, obwohl es ihm den Magen umdrehen wollte. Doch würde er das Kind kaum vor Menschen wie diesen schützen können, wenn er ihr Spiel nicht mitspielte.

    "Das ist wahr. Aber schmutzig ist sie, wie ein zorianisches Krustentier. Ich mochte sie kaum anfassen. Irgendwo muss ich einen Eimer Wasser finden, um sie in einen berührbaren Zustand zu bringen. Wisst Ihr ein Gasthaus, in dem ich mich zu diesem Zweck einmieten könnte?"

    Einer der Wächter beschrieb ihm umständlich den Weg zu einer Unterkunft, deren Wirt zweifellos für die Empfehlung durch die Wache bezahlen musste. Die anderen Wächter ließen noch einmal ihre Blicke über den Leib des Mädchens tasten wie schmutzige Finger. Ihr Misstrauen war aber längst schon besänftigt. Ein reisender Mann, der eine kleine Sklavin zu seiner Belustigung mit sich führte, so einer hatte in ihrem Weltbild Platz. Mehr hatte Wanja mit dieser Geschichte gar nicht bezweckt. Selbstverständlich würde er die beschriebene Wirtschaft meiden. Er dankte den Wachen mit einem Nicken und ging weiter. Das war einfach gewesen. Aber was nun?

    Er musste die Kleine irgendwo lassen, sie in die Obhut eines wohlmeinenden Menschen übergeben, der sich um sie kümmern konnte. Er selber würde das nicht können, wenn er sich wie geplant an der Schule einschreiben wollte. Oder? Vielleicht durfte man ja einen eigenen Diener mitbringen. Vornehme Söhne einheimischer Familien ließen sich bestimmt nicht ohne mindestens einen Leibdiener hier an der Schule nieder. Die notdürftige Lüge, mit der er nur das Kind in die Stadt hatte hineinbringen wollen, eröffnete ihm ganz unerwartet eine mögliche Lösung. Sollte es nicht heute noch gelingen, Siras Angehörige zu finden, mit denen sie hierher gereist sein musste, konnte er sie - vielleicht - bei sich behalten, bis sie ihre Leute wieder gefunden hatte, oder sich selber gut genug in der Stadt auskannte, um überleben zu können.    

    Er lächelte und sah zu der kleinen Reiterin auf.


    Zuletzt von marismeno am Di Dez 11, 2018 4:28 pm bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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    Beitrag von Sue Do Nov 22, 2018 3:37 pm

    Sira hatte kein Wort von dem verstanden, was Wanja und die Wachen geredet hatten, aber scheinbar war alles gut gelaufen. Auf einem Pferd und mit einem freundlichen Gruß schienen sie nichts gegen sie zu haben. Sie beschrieben Wanja sogar den Weg ... aber wohin?
    "Stadt gehen?", fragte sie unsicher, als Wanja zu ihr auflächelte. "Haus?" Ihr fiel nichts anderes ein, wie sie die Frage hätte formulieren können.

    Doch noch bevor Wanja antworten konnte, riss sie den Kopf herum. War das dort drüben nicht Milan?
    "Milan, Milan!", schrie sie so laut sie konnte über die Straße, so dass ein Haufen Leute sich umdrehte. Auch der Fremde.
    Siras Herz sank, denn es war nicht Milan, sondern ein viel älterer Mann mit einem grauen Bart. Die Leute schüttelten die Köpfe und wandten sich wieder ab, hatten sie im nächsten Moment wahrscheinlich schon vergessen. Aber Sira kam sich auf einmal dumm und einsam vor. Auch die Wachen sahen wieder misstrauisch zu ihr auf, riefen Wanja etwas hinterher und einer schlug sich mit der Faust in die Hand. Das bedeutete nichts Gutes. Sie verbarg das Gesicht in einer Hand, hielt sich mit der anderen weiterhin am Sattel fest und unterdrückte einen Schluchzer. Trotz der Hitze fröstelte sie plötzlich. Wieso hatte sie nur geschrien? Weshalb war Wanja so gut zu ihr, wo sie sich benahm wie eine selten dumme Göre? Am liebsten wäre sie weggelaufen, um sich in einem Schlupfwinkel zu verkriechen, wo keiner sie finden konnte. Nur der Gedanke an die Wachen und ihre Waffen hielt sie davon ab.
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    Beitrag von marismeno Fr Nov 23, 2018 2:39 pm

    Milan? Hatte Sira diesen Namen schon zuvor genannt? Es musste sich um jemanden handeln, der ihr wichtig war. Vielleicht ein Verwandter. Aber sie blickte sehr enttäuscht. Traurig. Offenbar hatte dieser Milan sich nicht um ihr Rufen gekümmert, oder sie hatte ihn ganz einfach verwechselt.

    Doch das war etwas, was man später klären musste. Wanja warf einen besorgten Blick über die Schulter zurück. Die Wachen standen nahe beieinander, sprachen untereinander und sahen ihnen nach. Der Ausbruch der Kleinen hatte ganz schön für Aufsehen gesorgt. Er wusste zwar nicht, warum das Misstrauen der Wachen zurück gekehrt war, aber es wäre bestimmt ratsam, unauffällig in der Menschenmenge unterzutauchen.

    "Sira?" Sie sah ihn nicht an. "Komm da runter!" Wenn sie hoch auf dem Pferderücken saß, waren sie schon von weitem in der Menge zu erkennen, aus der sie heraus ragte.  
    Das Kind reagierte nicht, und die Zeit drängte. Er ergriff sie am Arm und am Bein und zog sie möglichst sanft aus dem Sattel zu sich herunter. Ihre Augen blickten erschrocken und sie duckte sich ängstlich. Er hielt sie vorsichtig an den Schultern fest. Wie sollte er ihr erklären, dass sie nichts falsch gemacht hatte, dass er sie nur der Sicht der Wachen entziehen wollte?
    "Nicht sehen!", versuchte er es, und machte sich selber etwas kleiner, indem er die Knie leicht beugte. Er hielt sich kurz die Augen zu und deutete dann in Richtung auf die Wachen. Unruhe in der Menschenmenge aus derselben Richtung ließ befürchten, dass ihm jemand nach kam.
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    Beitrag von Sue Fr Nov 23, 2018 3:41 pm

    Wanja zog Sira vom Pferd. Sie ließ es über sich ergehen. Eigentlich war es ihr nur recht, denn so geriet sie aus dem Blickfeld der vielen Leute, was Wanja offenbar auch damit bezweckt hatte.
    Zum Weglaufen fehlte ihr sowieso die Kraft. Sie wollte niemanden ansehen oder nach einem Versteck suchen, sie wollte einfach nur zu Boden starren und sich unsichtbar machen. Was, wenn Milan in der Nähe war und die ganze Szene beobachtet hatte? Nein, so verheult wollte sie ihm nicht begegnen. Überhaupt, wieso heulte sie? Milan würde sie auslachen dafür!

    "Eh", tönte es da von hinten. Einer der Wachmänner war ihnen nachgekommen, und er hielt einen Lederriemen in der Hand, der aussah wie eine Pferdepeitsche, nur viel kürzer. Sira roch den scharfen Schweißdunst des Mannes sogar durch seine Rüstung. Ekel überkam sie, sie drängte sich an das Bein der Stute und drehte ihm den Rücken zu.
    Da knallte es, sie spürte einen scharfen Schmerz am Rücken, schrie auf und stürzte.
    "Hier, für dich." Der Wachmann lachte gehässig und überreichte Wanja die Peitsche. "Hat gestern einer liegenlassen. Die kannste bestimmt brauchen, für das Mistbalg."
    Sira wurde von Schluchzern geschüttelt. Sie verstand kein Wort von dem, was der Wachmann sagte. Aber wenigstens hatte ihr Schmerz jetzt ein Zentrum, und sie musste sich nicht länger dafür schämen, zu heulen.
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    Beitrag von marismeno Di Dez 11, 2018 4:18 pm

    In Wanjas Eingeweiden kochte schlagartig diese heiße Wut empor, die ihn schon so oft in große Schwierigkeiten gebracht hatte. Wie KONNTE es dieser Barbar wagen, ...

    Nein! Er war kein Halbwüchsiger mehr, seinen Wutanfällen ausgeliefert!
    Er hatte gelernt, sich zu beherrschen, wenn das auch lange genug gedauert hatte. Tief und zischend atmete er ein und wieder aus. Ein Wutanfall würde hier nicht weiter helfen. Seine Wangenmuskeln schmerzten von der Anstrengung, ebenso dreckig zu grinsen wie der Wächter. Er wusste, dass seine Augen nicht fröhlich, sondern zornig funkeln mussten, aber würde dieser klysantrische Schwachkopf das in einem halb amudarisch, halb nordländisch aussehenden Gesicht erkennen?

    "Danke, Mann! Die Kleine muss wirklich noch vieles lernen." Er schob die Peitsche unter seinen Leibriemen, nickte dem Wächter noch einmal zu und wandte sich ab. Nicht ohne Sira am Arm zu packen und mitzunehmen. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihr Götter! Tat ihm das Kind leid! Sie musste über die Schmerzen hinaus ja nun fürchten, dass er sie betrogen hatte und ein ebensolcher Unmensch war, wie der, der sie geschlagen hatte. Wenn er nur die Peitsche einfach wegwerfen könnte.Aber das würde der Wächter vielleicht bemerken. Er lockerte wenigstens seinen Griff, sobald sie einige Schritte gegangen waren.

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